Stefanie Giesinger setzt sich mit ihrer Reichweite immer wieder für Gleichberechtigung ein. Nun berichtet sie von einem Eingriff, der für manche als Tabu-Thema gilt: Sie hat abgetrieben.
"Nervös schaute ich auf den Schwangerschaftstest, um dann panisch zu schreien", sagt Stefanie Giesinger ruhig. "Vor rund einem Jahr wurde ich schwanger, und es folgten unglaublich schwere Monate." Zum ersten Mal berichtet das Model öffentlich davon, dass sie ungeplant schwanger wurde und einen Abbruch vornehmen ließ. In ihrem Podcast und auf Instagram berichtet Giesinger, wie schwer dieser Weg für sie war.
Giesinger ist Model und erfolgreiche Unternehmerin, auf ihrem Instagram-Account folgen ihr Millionen Menschen. Unmittelbar nach dem positiven Test muss sie funktionieren, ein Fotoshooting steht bevor. "Ich fühlte mich wie in einem Paralleluniversum", schreibt sie. Sie fährt ans Set, arbeitet – während eine Freundin gleichzeitig versucht, ihre vertraute Gynäkologin zu erreichen. Die ist im Urlaub, also muss Giesinger in einer fremden Praxis vorstellig werden.
In dem Post berichtet Giesinger von Gefühlen, die viele ungewollt Schwangere erleben: Hilflosigkeit, Scham, Verzweiflung. Und die Frage: "Soll ich das Kind einfach behalten?" Sie entscheidet sich dagegen – und durchläuft den Prozess, der in Deutschland von politischen Entscheidern ein Kompromiss genannt, aber von ungewollt Schwangeren immer wieder als Spießrutenlauf beschrieben wird.
PAID_Abgetrieben-Protokoll Maria Astor
Abtreibungen sind hierzulande illegal, das regelt der Paragraph 218 im Strafgesetzbuch. Bis zur zwölften Woche kann eine Schwangerschaft aber straffrei abgebrochen werden, wenn die Betroffene ein Beratungsgespräch und drei Tage Wartezeit nachweisen kann. Ist die Schwangerschaft weiter fortgeschritten, kann eingegriffen werden, wenn das körperliche oder mentale Wohl der Schwangeren bedroht ist oder wenn eine Vergewaltigung zu der Schwangerschaft führte. (Mehr Informationen für Betroffene gibt es zum Beispiel hier.)
Giesinger scheinen vor allem die Babyfotos im Wartezimmer von "Pro Familia" im Kopf geblieben zu sein. Dort lässt sie sich beraten. Später entscheidet sie sich für einen operativen Abbruch, muss aber mehrere Wochen bis zur Durchführung warten. Die Eizelle sei "zu klein, um fotografisch festgehalten werden zu können", schreibt sie bei Instagram. Diese Zeit habe sie als Kampf gegen ihren eigenen Körper wahrgenommen: "Etwas wuchs in mir, und ich wollte es nicht."
Nach dem erfolgreichen Abbruch fällt sie in ein Loch, muss ihre Gedanken, ihr schlechtes Gewissen sortieren. Jetzt, ein Jahr später, kann Giesinger öffentlich darüber sprechen. Sie bedankt sich bei ihrem Umfeld für die Unterstützung – und ist dankbar, dass sie diese Entscheidung überhaupt treffen durfte. Auf Instagram bekommt Giesinger wenige Stunden nach ihrem Post enormen Zuspruch von ihren mehr als fünf Millionen Followern. Viele bedanken sich für ihre Offenheit, andere berichten von eigenen Erfahrungen.
In Ländern wie Polen oder Ungarn gilt ein sehr rigoroses Abtreibungsrecht. Studien beispielsweise aus Großbritannien zeigen jedoch, dass Verbote die Abtreibungsrate nicht senken. Abtreibungen sind keine seltenen Eingriffe, insgesamt geht die Zahl jedoch zurück. Rund 100.000 Abbrüche werden jedes Jahr in Deutschland durchgeführt, 2023 waren es laut dem Statistischen Bundesamt etwa 106.000 erfasste Fälle.
Quellen: Stefanie Giesinger bei Instagram, Doctors for Choice, Statistisches Bundesamt, "G Spot mit Stefanie Giesinger"