Hans-Werner Sinn äußert sich in einem Interview auch zu den politischen Entwicklungen in Deutschland. Er sieht die zunehmende Unterstützung für Parteien wie die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als Zeichen für die Unzufriedenheit vieler Bürger mit dem aktuellen Kurs der Regierung.
Sinn kritisiert die etablierten Parteien dafür, dass sie sich nicht argumentativ mit den neuen politischen Kräften auseinandersetzen, sondern sich hinter "Brandmauern" verstecken und stattdessen Verunglimpfungen aussprechen. Dies habe viele Menschen, besonders in Ostdeutschland, verärgert und zur Unterstützung dieser Parteien beigetragen.
In Bezug auf die AfD betont Sinn, dass eine Regierungsbeteiligung der Partei in Thüringen und Sachsen aus wirtschaftlicher Sicht voraussichtlich keine gravierenden Auswirkungen haben würde. Er vergleicht die Situation mit Italien nach dem Wahlsieg der Fratelli d'Italia, wo befürchtete wirtschaftliche Turbulenzen ausblieben.
Vielmehr könnten Unternehmen die politische Stabilität begrüßen, wenn es gelingt, die Unregierbarkeit in den betroffenen Bundesländern zu verringern. Allerdings befürchten einige, dass eine Beteiligung der AfD zu einem Migrationsstopp führen könnte, was zu einer Verknappung an Arbeitskräften und damit zu Lohnerhöhungen führen würde.
Ein zentraler Punkt seiner Kritik ist die Energiepolitik der Bundesregierung, die laut Sinn zur Deindustrialisierung Deutschlands führt.
Das erzwungene Verbot von Verbrennungsmotoren, die Abschaltung von Kernkraftwerken und der Fokus auf erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenenergie seien Fehlentscheidungen, die nicht nur die Strompreise in die Höhe trieben, sondern auch die industrielle Wettbewerbsfähigkeit des Landes schwächten. Sinn argumentiert, dass diese Politik die deutsche Industrie an den Rand des Ruins treibe und andere Länder dies zwar wohlwollend beobachten, aber keinesfalls nachahmen würden.
Sinn sieht darin eine existenzielle Gefahr für den deutschen Wirtschaftsstandort. Er betont, dass Deutschland, anders als viele andere Länder, nicht auf Erdöl oder andere fossile Energien verzichten könne, ohne dabei seine industrielle Basis zu verlieren.
Senkt die EZB den Leitzins, klettert die Inflation
Hans-Werner Sinn kritisiert im Interview zudem scharf die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB). Er warnt, dass eine Rückkehr zur schuldenfinanzierten Politik eine neue Inflationswelle auslösen könnte, da die EZB gezwungen wäre, erneut Staatsanleihen aufzukaufen, um finanzschwache Länder wie Italien zu unterstützen. Dies würde die Zinskosten und Risikoprämien in der gesamten Eurozone erhöhen. Sinn betont, dass die EZB durch ihre Politik strukturelle Probleme überdecke, und plädiert für ein System, in dem jedes Land für seine eigenen Schulden verantwortlich ist, anstatt sich auf die Zentralbank oder andere Länder zu verlassen.
Die Vorstellung, dass Deutschland durch sein Vorgehen eine Vorbildfunktion für andere Länder einnehmen könnte, hält er für naiv. Stattdessen würden andere Länder von der Schwächung der deutschen Industrie profitieren, indem sie günstigeres Öl nutzten und ihre eigene Wirtschaft stärkten, während Deutschland seine industrielle Grundlage und damit langfristig seinen Wohlstand gefährde.
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