Nach dem turbulent-ereignisarmen Deadline Day stand Borussia vor der Partie in Bochum gehörig unter Druck. Eine Niederlage bzw. ein schwacher Auftritt hätten in Verbindung mit den ausgebliebenen Last-Minute-Transfers für eine hochexplosive Stimmung in der bevorstehenden Länderspielpause gesorgt. Zum Glück war die Mannschaft im Ruhrstadion aktiver als ihr Geschäftsführer Sport in den vergangenen Monaten und konnte dieses Szenario durch einen überzeugenden 2:0-Auswärtssieg eindrucksvoll abwenden. Zumindest für die kommenden beiden Wochen können die Verantwortlichen bei Borussia durchatmen und sich über einen bislang gelungenen Auftakt in diese Bundesliga-Saison freuen.
Von einem „starken Saisonstart“ zu sprechen wäre allerdings verfrüht. Nur zur Einordnung: Würde die Mannschaft in den kommenden beiden Partien gegen die vermeintlich favorisierten Gegner aus Stuttgart und Frankfurt verlieren, so wäre in der Öffentlichkeit bei drei Punkten nach vier Spielen schnell wieder von einem „Fehlstart“ die Rede. Eine seriöse Bewertung des Saisonstarts sollte daher – wie in jedem Jahr – frühestens nach 10 Spielen vorgenommen werden. Im Anschluss an die vorgenannten Spiele trifft Borussia bis dahin auf eine Reihe von Mannschaften, die sich leistungsmäßig auf Augenhöhe befinden sollten. Hier wird sich zeigen, wo sich die Mannschaft mittelfristig einordnet.
Gegen den VfL Bochum war Borussia über 90 Minuten die reifere und bessere Mannschaft. Statt wie so oft in den letzten Jahren nach einer Führung in den Verwaltungsmodus zu schalten, dominierte Borussia die letzten 40 Minuten der Partie. Das Spiel gegen den VfL Bochum kann aber nur bedingt als Maßstab für die Leistungsfähigkeit der neuen Borussia herhalten. Zusammen mit den beiden Aufsteigern scheint der kleine VfL über die schwächste Mannschaft der Liga zu verfügen, was sich bereits jetzt im Tabellenbild zeigt.
Der Fortschritt zeigt sich darin, dass dieser VfL Bochum im vergangenen Jahr genau der Maßstab gewesen ist, mit dem sich Borussia bis zum letzten Spieltag gemessen hat. Der souveräne Sieg an diesem Samstag gibt Hoffnung, dass sich Borussia zumindest von den schwächsten Teams im Tabellenkeller absetzen und im sicheren Mittelfeld wird etablieren können. Von dort wäre es nicht mehr weit bis zu den europäischen Rängen, wie Heidenheim in der vergangenen Saison gezeigt hat. Es ist aber noch deutlich verfrüht, schon wieder in solchen Dimensionen zu denken.
Wie schon gegen Leverkusen hat die Mannschaft gerade in Halbzeit 2 starke Ansätze gezeigt und sich mit Stöger und Kleindienst offensichtlich hervorragend verstärkt. Im Zusammenspiel mit Honorat machten die beiden Neuzugänge am Samstag den Unterschied aus in einer lange Zeit relativ ausgeglichenen Partie.
In der vorigen Saison fehlte neben der Mentalität die individuelle Qualität, um ein festgefahrenes Spiel mit genialen Einzelaktionen aufzubrechen. Diese Qualitäten sind jetzt wieder verstärkt vorhanden, sodass Pflichtsiege wie gegen Aue und Bochum wahrscheinlicher werden.
Es ist ein weiteres Zeichen für die enorme Offensivqualität, dass in Halbzeit zwei noch Reitz, Cvancara und Hack in die Partie gebracht werden konnten. Selbst wenn letzterer nach seiner Einwechselung etwas gehemmt wirkte. Wer sich daran erinnert, wie er letztes Jahr in solchen Situationen durch die ermüdeten Abwehrreihen gewirbelt ist, musste erkennen, dass der Ex-Bielefelder nach seiner Verletzung noch nicht bei 100 % sein kann. Erreicht er wieder die Qualität des Vorjahres und kann auch Plea zu mehr Konstanz finden, so verfügt Borussia über eine der stärkeren Offensivreihen der Liga.
Gleiches kann trotz der gegenüber der Vorwoche verbesserten Leistung von der Defensive nicht behauptet werden, die nach dem 67-Gegentor-Desaster sogar noch personell geschwächt durch die Hinrunde stolpern muss. Was Hoffnung macht: Defensivstärke bemisst sich nicht nur aus der Qualität der Abwehrspieler. Es ist gut möglich, dass die kampf- und mentalitätsstarken Offensiv-Neuzugänge zu einer größeren Kompaktheit beitragen. Nichtsdestotrotz war es erschreckend und fahrlässig, in diesem Transferfenster keine einzige Lösung für die Verteidigung präsentiert zu haben. Seit einem Jahr war klar, dass diesen Sommer Handlungsbedarf auf der offensichtlichsten Baustelle des Kaders besteht – allermindestens durch das Ende des Leihgeschäfts mit Wöber. Die Umstände, warum es am Deadline Day dann nicht mehr mit einem Last-Minute-Transfer funktioniert hat, spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Schon sehr viel früher hätten in diesem Bereich mindestens zwei qualitative Verstärkungen klargemacht werden müssen. Dies ist ein unentschuldbares Versäumnis und trübt die ansonsten starke Transferbilanz des Vereins deutlich ein.
Daran ändert auch nichts, dass es gegen Bochum gut ging und die Mannschaft erstmals in dieser Saison zu Null spielen konnte. Es ist jetzt schon absehbar, dass dies im Laufe der Saison gegen stärkere Gegner noch so einige Male nicht gutgehen und dies der Mannschaft einige Punkte kosten wird.
Vom VfL Bochum wurde Borussia nur jeweils zu Beginn der Halbzeit gefordert. Dass sie auch schon gegen Aue und Leverkusen schwach in die Partie gestartet ist und ein frühes Gegentor kassiert hat, sollte Seoane in der Länderspielpause genauer in Augenschein nehmen. Dass zudem in Bochum schon in der letzten Saison einer der wenigen souveränen Auswärtssiege erzielt werden konnte, sollte ausreichen, um nicht in verfrühte Euphorie zu verfallen, sondern an den bestehenden Schwachstellen im Kader konsequent weiterzuarbeiten.