RTL nutzt das Dschungelcamp oft als Aushängeschild. Doch funktioniert das Format auch als Lockmittel? Schließlich verfolgt der Sender eine neue Strategie. Mit einem neuen Format das Sommerloch stopfen? Das würden viele Fernsehsender gerne tun. Doch die gähnend lange und traditionell reichweitenarme Phase im Hochsommer mit einem Dauerbrenner überbrücken, das können die wenigsten. RTL hat genau das dieses Jahr gemacht und "Ich bin ein Star – Showdown der Dschungel-Legenden" aus dem Programmboden gestampft. Ein kluger Schachzug? Es gibt auch Kritik an der Neuerfindung zum 20. Jubiläum des RTL-Klassikers. In einem Kommentar auf t-online hieß es zuletzt: Die Produktion hat sich mit dem Verzicht auf den Live-Charakter keinen Gefallen getan. Die zuvor aufgezeichnete, mit neuem Konzept daherkommende Sendung überzeugte nicht alle Dschungelfans. Auch die deutlich geringeren Reichweiten als bei der klassischen Version, die immer zu Jahresbeginn über die Bildschirme flimmert, werfen Fragen auf. Dschungelcamp als RTL+-Motor Und doch ist eine Strategie klar erkennbar: RTL hat seine neue Show als Zugpferd vor seinen Streaming-Karren gespannt. Die Legenden-Ausgabe des Dschungels soll Abonnenten für RTL+ anlocken und Abo-Abschlüsse generieren. Genau deshalb hat sich der Sender entschieden, bei der Formatgestaltung umzusatteln: aufgezeichnet statt live. Einen Tag vor der linearen Ausstrahlung gibt es die exklusive Streaming-Option für RTL+-Abonnenten. "Wir sind ausgesprochen zufrieden mit unserer Legenden-Staffel. Es freut uns sehr, dass sie auch bei den Zuschauerinnen und Zuschauern so gut ankommt", lässt RTL auf t-online-Anfrage mitteilen. Der Sender verweist auf Bestwerte in den vergangenen Tagen, so habe am Sonntag die zehnte Folge bei RTL beim Gesamtpublikum den Staffelbestwert eingefahren, zwei Tage später war das bereits wieder überholt. Denn am Dienstag schalteten 2,71 Millionen Menschen ein: aktueller Höchststand. Das klingt gut. Bei der Zielgruppe der jüngeren Zuschauer sicherte sich RTL zudem bereits mehrfach Tages- und Primetime-Siege. Und doch bleibt das nur ein Teil der Wahrheit. Denn die Zahlen des RTL-Streamingdienstes sind dort nicht eingerechnet und auch die Vergleiche zur 17. Staffel "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" lassen aufhorchen: Im Januar gelangen RTL noch bis zu 26 Prozent Marktanteil in der Gesamtreichweite, mehr als jeder Vierte schaltete um 22.15 Uhr also das Dschungelcamp ein – jetzt im Sommer rutschen diese Werte zur Primetime auch mal in den einstelligen Bereich. Dafür gebe es laut RTL verschiedene Erklärungen, wie man auf t-online-Anfrage mitteilen lässt: "Zwei Gründe: Im Sommer schauen weniger Menschen TV und die Folgen stehen jeweils einen Tag vorab auf RTL+ zur Verfügung. Etliche Fans des Dschungelcamps schauen sich die neueste Folge im Stream an." Dort, also bei RTL+, seien "zahlreiche Fans [...] im Dschungelfieber", so RTL. Aber was genau heißt das? Ist der Privatsender mit seiner Offensive erfolgreich? Schließlich macht er sowohl online als auch im Fernsehen massiv Werbung für sein Streaming-Produkt. "Aktuell verfügt RTL+ über 5,6 Millionen Abonnenten", lässt ein Sendersprecher mitteilen. Das würde bedeuten: Seit Ende Dezember 2023, als hierzulande noch 4,9 Millionen aktive Bezahlabos von RTL+ gezählt wurden, sind 700.000 hinzugekommen. Damit bestätigt sich ein Trend der vergangenen Jahre: Denn schon 2023 konnte man bei RTL einen Zuwachs von 23 Prozent erzielen. Ende Dezember 2022 hatte RTL+ noch bei 4 Millionen Abos gelegen. Staatsgeheimnis Streaming? Diese Zahlen sind bekannt Dafür ist auch die Bündelung mit Magenta TV verantwortlich. Wer einen bestimmten Tarif bei Magenta abschließt – zum Beispiel im Zuge der Europameisterschaft, wo dort exklusiv alle EM-Spiel gezeigt wurden –, erhält zusätzlich Zugriff auf RTL+. Das zahlt sich offenbar aus. Wie sehr das Dschungelcamp für RTL ein ebenso großer Hebel zur Abonnentengewinnung ist, sagt der Sender nicht. Solche Zahlendetails werden im traditionell verschwiegenen Streaming-Bereich wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Nach Angaben des Senders seien aber auch exklusive Reality-TV-Formate, Fußballspiele der UEFA Europa League und Originalsendungen wie "Sisi" und eben das neue Dschungelcamp wichtig für das Wachstum der Kundschaft. Ob sich das auch immer im Einzelfall rentiert und eine Millionenproduktion wie der TV-Dschungel im Verhältnis zu einigen Tausend neuen Usern steht, bleibt den internen Analysen des Senders vorbehalten. "Die Produktionskosten für das Dschungelcamp sind vertrauliche Informationen. Aber wir setzen immer alles daran, qualitativ hochwertige Unterhaltung zu bieten", erläuterte RTL kürzlich auf t-online-Nachfrage. Laut einem Medienbericht aus dem Jahr 2019 sollen die Kosten für die klassische Ausgabe circa 30 Millionen Euro betragen haben. Mehr dazu lesen Sie hier. "Erfolgreichste Programmmarke der RTL-Gruppe" Ein kostspieliges Zugpferd – aber auch eines, mit dem der eigene Erfolg gepriesen werden kann. So heißt es von einem RTL-Sprecher: "Die Programmmarke des Legenden-Dschungels" sei "hervorragend gestartet und mit starken 19,35 Millionen Nutzern die erfolgreichste Programmmarke der RTL-Gruppe in TV und Streaming gesamt". Tatsächlich zeigen die neuesten Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Videoforschung AGF, dass die Sommerausgabe des RTL-Dschungelcamps im anbieterübergreifenden Ranking auf Platz drei rangiert und sich mit 900.000 online erreichten Personen direkt hinter der "Tagesschau" (1,07 Mio.) und den "ntv Nachrichten" (1,04 Mio.) einordnet. Auch intern zeigt sich bei diesen AGF-Analysen: "Ich bin ein Star – Showdown der Dschungel-Legenden" ist das eindeutig erfolgreichste RTL-Format im Streaming, noch weit vor "Are you the One – Realitystars in Love" mit 420.000 Zuschauern. Die Strategie, das Sommerloch mit einem Klassiker des Showgeschäfts zu stopfen, scheint für RTL also aufgegangen zu sein – Kostenfragen hin oder her.