Die Pflegeversicherung droht selbst zum Pflegefall zu werden: Oft muss nach einem langen Arbeitsleben Sozialhilfe überwiesen werden. Führende CDU-Politiker drängen auf einen Systemwechsel.
Hessens CDU-Chef und Ministerpräsident Boris Rhein spricht sich angesichts stark gestiegener Pflegekosten in einer alternden Gesellschaft für eine grundlegende Pflegereform aus. Mit Blick auf ein kürzlich bekanntgewordenes Konzept von Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer und dem nordrhein-westfälischen Sozialminister Karl-Josef Laumann sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden, beide CDU-Politiker stießen eine wichtige Debatte an, der sich die Bundesregierung verweigere.
"Der Umgang mit unseren älteren Menschen ist ein zentraler Seismograph für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Wer über Respekt spricht, muss bei der Pflege handeln", betonte Rhein. "Wir brauchen eine umfassende Pflegereform als Antwort auf eine der zentralen Fragen unserer Zeit."
Künftig Vollversicherung?
Dem Papier von Kretschmer und Laumann zufolge soll die derzeitige Absicherung der Pflege in eine vom Bund finanzierte Vollversicherung umgewandelt werden, die die pflegebedingten Kosten komplett übernimmt. Bereits jetzt sei in Deutschland etwa jeder dritte Bewohner eines Pflegeheims auf Sozialhilfe angewiesen, da seine Rente für die Pflegekosten nicht ausreiche.
Laut Berechnungen des IGES-Instituts, eines Forschungs- und Beratungsinstituts für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen, wären für eine Vollpflegeversicherung im Beispieljahr 2026 rund 16,5 Milliarden Euro nötig, die der Bund übernehmen sollte. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen könnten damit um 8,9 Milliarden Euro Eigenanteil entlastet werden. Sie müssten nur noch Summen außerhalb der Pflege wie Investitions-, Betriebs- und Verpflegungskosten zahlen. Hierfür sollten ihnen freiwillige Zusatzversicherungen angeboten werden.
Rund 1.000 Pflegeheime in Hessen
Dem Statistischen Landesamt zufolge werden in Hessen rund 85 Prozent der mehr als 368.000 Empfänger der Pflegeversicherung von Angehörigen zu Hause versorgt. Davon werden rund 204.000 Pflegebedürftige von selbst organisierten Pflegehilfen und etwa 73.000 von Pflege- und Betreuungsdiensten unterstützt. In Hessen sind circa 1.300 Pflegedienste mit rund 33.000 Beschäftigten im Einsatz. Insgesamt fast 56.000 Menschen leben in rund 1.000 Pflegeheimen mit insgesamt mehr als 56.000 Beschäftigten (alle Zahlen Stand 2021).
Pflegestatistik Hessen 2021