Von Xenija Tschemodanowa
Die russische Wirtschaft wächst wie schon im vergangenen Jahr mit einer hohen Rate. Dies erklärte Präsident Wladimir Putin am Montag, den 26. August, während eines Treffens zu wirtschaftlichen Fragen. Wie der Präsident anmerkte, spiegele sich das Wirtschaftswachstum positiv in den Haushaltseinnahmen wider, die sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres an die 20 Billionen Rubel angenähert hätten. Dies wiederum gibt dem Staat zusätzliche Möglichkeiten, große Infrastruktur- und Sozialprojekte zu verwirklichen, meinen Experten. Weiterhin merkte Putin an:
"Nach Schätzungen für das erste Halbjahr legte das Bruttoinlandsprodukt um 4,6 Prozent zu, die Industrieproduktion wuchs um 4,4 Prozent. Dabei stellt die verarbeitende Branche die Messlatte traditionell höher: Hier liegt die Dynamik bei plus 8 Prozent. Auch die Konsumnachfrage bleibt stark. Der Umsatz des Einzelhandels ist in den letzten sechs Monaten um 8,8 Prozent gestiegen."
Wie der russische Staatschef hinzufügte, werde die derzeitige Kaufaktivität hauptsächlich durch das Wachstum der Löhne der Bürger stimuliert. Von Januar bis Mai stieg der Index real um mehr als 10 Prozent. Gleichzeitig lag die Arbeitslosigkeit im Juni mit 2,4 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau.
Die positiven Trends in der Wirtschaft sind darauf zurückzuführen, dass es den Unternehmen gelang, sich schnell an die externen Herausforderungen anzupassen und das Angebot an Waren und Dienstleistungen von den westlichen auf die östlichen Märkte umzustellen, meinen die von RT befragten Experten. Darüber hinaus seien das starke BIP-Wachstum und die zunehmende Verbrauchernachfrage durch einen Anstieg der Inlandsproduktion angekurbelt worden, so Alexander Shneiderman, Leiter der Abteilung Verkauf und Kundenbetreuung bei Alfa-Forex. Der RT-Gesprächspartner betonte:
"Die Unternehmen arbeiten mit voller Kapazität an Verteidigungsaufträgen, von der Versorgung mit Erdölprodukten bis hin zu Textilien. Auch in Branchen, deren Produkte bisher ausschließlich im Ausland eingekauft wurden, eröffnen sich Schlüssel-Unternehmen. Wir sprechen hier von der Produktion einzelner Komponenten für Maschinenfabriken, petrochemische Anlagen und eine Reihe anderer."
Angesichts der beobachteten Dynamik könnte das russische Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 höher ausfallen als ursprünglich erwartet. Dies hatte zuvor der Finanzminister des Landes, Anton Siluanow, erklärt. In einem Interview mit RT äußerte sich der Leiter des Finanzministeriums wie folgt:
"Wir haben erwartet, dass das BIP-Wachstum in diesem Jahr etwa 2,8 Prozent betragen wird. Schauen wir mal. Wir haben einen guten Start in das Jahr ... Vielleicht können wir also die Werte übertreffen, die ursprünglich in den Wirtschaftsprognosen enthalten waren."
Es sollte angemerkt werden, dass mehrere internationale Organisationen ihre ursprünglichen Prognosen zur Entwicklung der russischen Wirtschaft ebenfalls korrigierten. So ging die Weltbank im Frühjahr davon aus, dass das BIP des Landes im Jahr 2024 um 2,2 Prozent steigen würde, doch nun rechnet sie mit einem Wachstum von 2,9 Prozent. Die Experten des Internationalen Währungsfonds wiederum korrigierten ihre Einschätzung von 2,6 auf 3,2 Prozent.
Eine der positivsten Prognosen wurde zur gleichen Zeit von den Experten der Bank Rossii abgegeben. Gingen die Experten der Zentralbank noch im Februar davon aus, dass das BIP des Landes bis zum Jahresende um ein bis zwei Prozent steigen würde, erwarten sie heute einen Anstieg des Indikators um 3,5 bis 4 Prozent.
Haushaltsimpuls
Laut Wladimir Putin wirkten sich das starke Wirtschaftswachstum in Russland und die steigenden Löhne positiv auf die Haushaltseinnahmen des Landes aus. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 stiegen die Gesamteinnahmen der Staatskasse gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 2023 um 36 Prozent und näherten sich 20 Billionen Rubel an. Gleichzeitig stammten fast zwei Drittel der Haushaltseinnahmen aus dem Nicht-Öl- und Gassektor, betonte der Präsident. Putin weiter:
"Diese Indikatoren zeigen, dass die einheimische Industrie, die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor im Allgemeinen sicher sind, dass die Unternehmen und Arbeitskollektive beständig und rhythmisch arbeiten, dass sie Perspektiven sehen und große Pläne machen."
Nach Angaben des Finanzministeriums steigerte Russland die Haushaltseinnahmen, die nicht mit dem Verkauf von Energieressourcen zusammenhängen, erheblich. Von Januar bis Juli stieg dieser Betrag im Jahresvergleich um 25,5 Prozent – auf fast 13 Billionen Rubel.
Zugleich weisen auch die Einnahmen aus Öl- und Gasexporten eine positive Dynamik auf. Innerhalb von sieben Monaten beliefen sie sich auf etwa 6,8 Billionen Rubel, was 61,6 Prozent über dem Wert für den gleichen Zeitraum im Jahr 2023 liegt. Das Ministerium rechnet damit, dass die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor in den kommenden Monaten kontinuierlich über dem Basisniveau liegen werden.
Die Einnahmen aus dem Verkauf von Energierohstoffen stiegen vor dem Hintergrund eines Rückgangs des Rabatts auf die russische Export-Rohölsorte Urals, der im vergangenen Jahr 30 Prozent erreicht hatte, nun aber auf fünf bis sechs Prozent sank. Generell hatte sich die russische Wirtschaft in den letzten Jahren verändert, insbesondere im Bereich der Außenwirtschaft, sodass es in diesem Jahr viele Möglichkeiten gibt, die Einnahmen der Staatskasse zu erhöhen. Diese Ansicht vertrat der Analyst von Freedom Finance Global, Wladimir Tschernow, in einem Gespräch mit RT. Der Experte weiter:
"Der Übergewinn des russischen Haushalts kann in verschiedene föderale und nationale Projekte, Sozialleistungen für Bedürftige und Veteranen oder in den nationalen Wohlfahrtsfonds fließen. Aber im Allgemeinen ist der russische Haushalt im Jahr 2024 defizitär. Damit das Finanzministerium weniger für die Bedienung inländischer Kredite ausgeben muss, ist es daher besser, diese zur Deckung des Haushaltsdefizits zu verwenden."
Seit Jahresbeginn stiegen die Ausgaben der Staatskasse nach Angaben des Finanzministeriums um etwas mehr als 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und überschritten 21,1 Billionen Rubel. Somit belief sich das Haushaltsdefizit von Januar bis Juli auf 1,36 Billionen Rubel oder 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist halb so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres (2,6 Billionen Rubel oder 1,5 Prozent des BIP).
Die aktuelle Höhe des Haushaltsdefizits ist weit von einem kritischen Punkt entfernt und stellt keine ernsthafte Bedrohung für die russische Wirtschaft dar, meint der Wirtschaftswissenschaftler und Kommunikationsdirektor von BitRiver, Andrei Loboda. Außerdem habe die Regierung unter den gegenwärtigen Umständen alle Chancen, die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der Staatskasse zu verringern, meint der Analyst. Der RT-Gesprächspartner fasste das wie folgt zusammen:
"Heute liegt das Defizit innerhalb der geplanten Grenzen. Wenn die Ölpreise noch weiter ansteigen und sich 90 US-Dollar pro Barrel nähern, könnte es am Ende des Jahres vielleicht weniger als die prognostizierten 1,1 Prozent des BIP betragen. Das Wichtigste ist, dass die Haushaltsausgaben in die richtigen Bahnen gelenkt werden: Importsubstitution, Entwicklung unserer eigenen verarbeitenden Industrie, Bildung und Wissenschaft."
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 26. August 2024 bei RT erschienen.
Xenija Tschemodanowa ist eine russische Journalistin.
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