Das Bündnis Sahra Wagenknecht zieht viele ehemalige Linken-Mitglieder an. Jetzt wechselt ein Staatssekretär aus Mecklenburg-Vorpommern die Seiten. Ihm drohen dadurch persönliche Konsequenzen. Der Staatssekretär des Justiz- und Verbraucherschutzministerium aus Mecklenburg-Vorpommern, Friedrich Straetmanns, wechselt ins Bündnis Sahra Wagenknecht . Das teilte der Staatssekretär in einer Erklärung mit, die t-online exklusiv vorliegt. Straetmanns beklagt in der Erklärung, dass die Linke ihre "Kernthemen" aufgegeben habe. "Politik darf nicht Selbstzweck sein", sagt er. Er werde sich daher dem BSW anschließen. Sahra Wagenknecht begrüsst den Wechsel von Straetmanns: "Ich freue mich sehr, dass der ehemalige Sozialrichter und Staatssekretär Friedrich Straetmanns zum BSW kommt." Der Wechsel ist besonders brisant, da Straetmanns im Justizministerium von Mecklenburg-Vorpommern unter der Linken-Justizministerin Jacqueline Bernhardt arbeitet. Ihm könnten jetzt berufliche Konsequenzen drohen. Politisches Schwergewicht Er ist politisch ein erfahrener Mann. Friedrich Straetmanns saß für die Linke von 2017 bis 2021 im Bundestag, ist studierter Jurist und seit 2021 Staatssekretär im Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Davor war er gut 20 Jahre SPD-Mitglied, dann in der WASG und danach PDS-Mitglied. Straetmanns Leben ist die linke Politik. Doch von genau der trennt er sich jetzt und tritt in das Bündnis Sahra Wagenknecht ein, das sich bewusst nicht in ein Rechts-links-Schema einteilen lassen will. Sein Hauptgrund und Punkt eins der Erklärung, die t-online vorliegt: "Die Linke hat politische Kernthemen wie das Thema 'Frieden' aufgegeben", so Straetmanns. Er begründet das unter anderem damit, dass die Parteispitze der Linken im Februar 2023 nicht an der "Friedenskundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer" vor dem Brandenburger Tor teilgenommen habe. "Unrealistische Migrationsforderungen" Direkt in Punkt zwei nennt er "Unrealistische Migrationsforderungen". Der Umgang mit dem Thema Migration zeige, "wie weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen" die Linke mittlerweile stehe. "Eine Einbürgerung ohne Rücksicht auf finanzielle Eigenverantwortung und Sprachtests ist unverantwortlich", schreibt Straetmanns. In insgesamt neun Punkten fasst er für sich weitere Gründe für seinen Austritt zusammen. Er schreibt von "Kritikunfähigkeit" der Parteiführung, "Nischenpolitik" und im Kontext der Nominierung von Carola Rackete zur EU-Spitzenkandidatin von "höchster Unprofessionalität". Rackete, die durch die Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer mit dem Schiff "Sea Watch 3" bekannt wurde, habe "sich mit einer Vielzahl von Äußerungen von der Partei distanziert und ein erschreckendes politisch-historisches Unwissen offenbart", sagt Straetmanns. Der Staatssekretär werde sich aus diesen Gründen dem BSW anschließen – der Mitgliedsantrag ist nach Informationen von t-online schon gestellt. Das BSW überzeuge ihn "mit einer schnörkellosen, sprachlich klaren Orientierung", die mit seinen Grundüberzeugungen übereinstimmten. Er nennt in seiner Begründung sieben Punkte, darunter die "Friedenspolitik im Sinne der Friedenspolitik Willy Brandts". Er sei überzeugt: "Internationale Konflikte werden nicht durch eine Hochrüstung, sondern können nur durch Verhandlungen gelöst" werden. Brisanter Wechsel Weitere Punkte sind eine ausgeprägtere Rentenpolitik , stärkere demokratische Teilhabe auf allen Ebenen oder auch die "Begrenzung der Zuwanderung unter Wahrung von Menschenrechten." Brisant ist der Wechsel, weil Straetmanns der Erste auf dieser hohen politischen Ebene ist, der die Seiten wechselt. Als Staatssekretär im Justizministerium von Mecklenburg-Vorpommern ist er Vertrauensperson der Justizministerin und "zweiter Mann" im Ministerium. Das Vertrauensverhältnis könnte nun natürlich nachhaltig gestört sein. Doch er ziehe "die Konsequenzen in vollem Bewusstsein der Folgen", schreibt er in der Erklärung. Auf Anfrage von t-online ergänzt er: "Der Austritt erfolgt, um meinen eigenen politischen Ansprüchen gerecht zu werden." Seine neue Parteichefin ist voll des Lobes über das neue Parteimitglied: "Ich kenne ihn als ausgesprochen fähigen Juristen und guten Politiker", so Wagenknecht zu t-online. Straetmanns habe keine Scheu, seine Meinung zu sagen, und habe sich "besonders in der Corona-Zeit für Grund- und Freiheitsrechte starkgemacht."