Die EU-Kommission will die Strafzölle für Elektroautos aus China bei bis zu 36,3 Prozent festsetzen. Wie die Kommission am Dienstag in Brüssel mitteilte, sollen die Zusatzzölle spätestens Ende Oktober in Kraft treten und für vorerst fünf Jahre gelten. Für große Autobauer wie Tesla und VW, die in China produzieren, greifen allerdings niedrigere Aufschläge.
Die EU-Kommission stellte nun ihre abschließende Untersuchung zu den Anfang Juli angekündigten Zöllen vor. Für den chinesischen Hersteller BYD sieht Brüssel einen endgültigen Zollsatz von 17 Prozent vor, für Geely 19,3 Prozent und für SAIC den Höchstsatz von 36,3 Prozent. Die Sätze sind durchweg etwas niedriger als zunächst geplant.
Für Unternehmen wie Volkswagen und ihre chinesischen Joint-Venture-Partner soll für Importe in die EU ein Zollaufschlag von 21,3 Prozent gelten. Der US-Autobauer Tesla von Milliardär Elon Musk hat nach Kommissionsangaben den niedrigsten Satz von 9,0 Prozent für Elektroautos ausgehandelt, die Tesla aus China in die EU importiert.
Die EU-Kommission wirft China unzulässige Subventionen für seine Hersteller vor und fürchtet Schäden für europäische Anbieter wie Firmenschließungen oder Entlassungen. Es seien aber immer noch Verhandlungen mit Peking möglich, um die Zölle abzuwenden, betonten Kommissionsmitarbeiter. Diese hatten bisher kein Ergebnis gebracht. Stattdessen rief China in dem Streit Anfang August die Welthandelsorganisation (WTO) an.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Untersuchung damit begründet, die Weltmärkte würden von "billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt". Tatsächlich legten die Verkäufe im vergangenen Jahr deutlich zu: Laut der US-Denkfabrik Atlantic Council stiegen sie weltweit um 70 Prozent auf einen Wert von 34,1 Milliarden Dollar (rund 31,2 Milliarden Euro). Fast 40 Prozent dieser E-Autos gingen demnach in die EU.
Die chinesische Handelskammer bei der EU (CCCEU) verurteilte die geplanten Zölle erneut scharf und warf der Kommission einen "protektionistischen Ansatz" vor. Es gebe keine hinreichenden Beweise, dass Elektroautos aus China europäischen Herstellern schadeten, betonte die Handelskammer.
Auch Kommissionsmitarbeiter räumten nun ein, dass die Studie keinen Beleg für bereits entstandene Schäden für europäische Hersteller ergeben hat. Solche drohten allerdings in "unmittelbarer Zukunft" bis 2025, sagte eine Expertin, die anonym bleiben wollte.
In Deutschland gelten insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Verband der Automobilindustrie (VDA) als Kritiker der Zölle. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dagegen Verständnis für das Brüsseler Vorgehen geäußert, wie auch andere Industrieverbände.
In einigen Punkten kam die Kommission chinesischen Herstellern und ihren europäischen Partnern nun entgegen: So soll etwa für Joint Ventures, also Firmen-Zusammenschlüsse, der niedrigere Zollsatz von 21,3 Prozent gelten. Bedingung ist, dass diese bis zum Herbst des vergangenen Jahres noch keine E-Autos in die EU einführten.
Zudem werden die Zölle nicht rückwirkend ab dem 5. Juli dieses Jahres erhoben, wie es die Kommission ursprünglich vorhatte. Stattdessen greifen die Abgaben erst ab Veröffentlichung der endgültigen Zollentscheidung im EU-Amtsblatt. Sie ist nach den Brüsseler Angaben "spätestens" am 30. Oktober geplant. Die Kommission hatte die Hersteller verpflichtet, ab Juli Bankbürgschaften für die Zölle zu hinterlegen, die nun unangetastet bleiben.
Die Hersteller haben nun zunächst zehn Tage Zeit für eine Stellungnahme. Danach legt die EU-Kommission ihren Vorschlag den Mitgliedsländern zur abschließenden Entscheidung vor. Die Hürde, um die Zölle noch zu kippen, ist sehr hoch: Nötig wäre eine qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Staaten, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen.