Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich die Unionsfraktion im Bundestag zu Gesprächen über Änderungen am Wahlrecht bereiterklärt. "Die SPD weiß, dass wir bei vernünftigen Vorschlägen immer gesprächsbereit sind", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der Nachrichtenagentur AFP. "Die Unionsfraktion betreibt eine konstruktive Oppositionsarbeit, die zuallererst die Interessen unseres Landes im Blick hat."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte der Union am Dienstag Gespräche angeboten. Er sagte dabei, es sei offen, ob es vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr nach der Karlsruher Entscheidung noch gesetzgeberische Schritte beim Wahlrecht geben werde.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition von 2023 am Dienstag als "überwiegend verfassungsgemäß" eingestuft. Die Union fordert aber Änderungen beim Umgang mit Direktmandaten. Nach dem gebilligten Teil der Reform erhält eine Partei künftig nur so viele Direktmandate, wie durch ihren Zweitstimmenanteil gedeckt sind. Dies kann erstmals in der bundesdeutschen Geschichte dazu führen, dass Direktkandidaten nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie in einem Wahlkreis gewonnen haben.
Parlamentsgeschäftsführer Frei bekräftigte, dass es hier Änderungen geben müsse. "Um die ärgste Schieflage der Wahlrechtsreform zu korrigieren, muss die Erststimme wieder gestärkt werden", sagte er AFP.
Die Diskussion innerhalb der "Ampel" mit Blick auf eine mögliche Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl bezieht sich hingegen bisher auf die von Karlsruhe gekippte Streichung der Grundmandatsklausel. Sie ermöglicht es auch Parteien, die an der Fünf-Prozent scheitern, nach dem Anteil ihrer Zweitstimmen in den Bundestag einzuziehen. Voraussetzung ist, dass die Parteien mindestens drei Direktmandate erzielen.
Karlsruhe setzte mit der Entscheidung vom Dienstag die Grundmandatsklausel wieder in Kraft. Damit gilt sie auch ohne weitere Gesetzesänderung bis auf Weiteres. Eine Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl wäre nicht nötig und könnte erst in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. In der Ampel-Koalition gibt es aber noch keine abgestimmte Position dazu.