Seit Jahren steckt das einst reiche Land in einer schweren Krise. Nach der umstrittenen Wahl könnte die Lage weiter eskalieren. Nicht nur die Regierungsgegner zweifeln das offizielle Ergebnis an. Nach der Präsidentenwahl im Krisenstaat Venezuela haben sowohl der autoritäre Nicolás Maduro als auch die Opposition den Sieg für sich beansprucht. Der Nationale Wahlrat (CNE) erklärte Amtsinhaber Maduro zum Wahlsieger. Die Opposition erkannte das offizielle Ergebnis nicht an und reklamierte den Sieg für ihren Kandidaten Edmundo González Urrutia. Auch im Ausland wurden schnell Zweifel am offiziellen Wahlergebnis laut. "Ich will Frieden, Liebe und Verständnis", sagte Maduro vor seinen Anhängern. Er kündigte einen Dialog mit den verschiedenen Sektoren an, um einen nationalen Konsens herzustellen. Vor der Wahl am Sonntag hatten mehrere Umfragen einen Sieg der Opposition prognostiziert. Beobachter gingen allerdings schon vor der Abstimmung nicht davon aus, dass die Wahl frei und fair ablaufen würde. Nach offiziellen Angaben kam Maduro auf 51,2 Prozent der Stimmen und González auf 44,2 Prozent. "Die ganze Welt weiß, was passiert ist" Oppositionsführerin María Corina Machado hingegen sagte, González sei auf 70 Prozent und Maduro nur auf 30 Prozent der Stimmen gekommen. Sie berief sich dabei sowohl auf Nachwahlbefragungen und vier unabhängige Hochrechnungen als auch auf die tatsächlichen Auszählungsergebnisse. "Dies ist der Wahlsieg mit dem größten Abstand in der Geschichte", sagte sie. Die 56-Jährige galt als treibende Kraft hinter der Kandidatur von González. Ihr wurde wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten aus ihrer Zeit als Abgeordnete die Ausübung öffentlicher Ämter für 15 Jahre untersagt. Der 74-jährige Diplomat González war im Land bisher weitgehend unbekannt. "Die Venezolaner und die ganze Welt wissen, was am heutigen Wahltag passiert ist", sagte er. "Wir setzen unseren Kampf fort und werden nicht ruhen, bis der Wille des venezolanischen Volkes respektiert wird." Zweifel am offiziellen Wahlergebnis Führende Politiker in den USA und in lateinamerikanischen Ländern äußerten Zweifel am offiziellen Wahlergebnis. "Wir haben ernsthafte Bedenken, dass das angekündigte Ergebnis weder den Willen noch die Stimmen des venezolanischen Volkes widerspiegelt", sagte US-Außenminister Antony Blinken. "Es ist entscheidend, dass jede Stimme fair und transparent gezählt wird. Die internationale Gemeinschaft beobachtet das genau und wird entsprechend reagieren." Auch die britische Regierung zeigte sich besorgt über den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl. "Wir fordern eine schnelle und transparente Veröffentlichung der detaillierten Ergebnisse, um sicherzustellen, dass sie den Willen des venezolanischen Volkes widerspiegeln", schrieb das Außenministerium auf der Plattform X. Chiles Staatschef Gabriel Boric schrieb: "Das Maduro-Regime muss begreifen, dass die Ergebnisse, die es veröffentlicht, schwer zu glauben sind." Dagegen beglückwünschten die dem linken und antiwestlichen Lager zugerechneten Staatschefs von Kuba , Nicaragua, Bolivien und Honduras Maduro. Auch China gratulierte. "China und Venezuela sind gute Freunde und Partner, die sich gegenseitig unterstützen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking . Russlands Präsident Kremlchef Wladimir Putin beglückwünschte Maduro zum Wahlsieg. "Die russisch-venezolanischen Beziehungen tragen den Charakter einer strategischen Partnerschaft. Ich bin überzeugt, dass Ihre Handlungen an der Spitze des Staates auch weiter eine fortschreitende Entwicklung in alle Richtungen ermöglichen", hieß es in einem vom Kreml veröffentlichten Telegramm. Auch der Iran sandte Glückwünsche nach Caracas. Teheran werde den Wahlsieger und dessen Regierung weiterhin unterstützen und hoffe auf eine Ausweitung der bilateralen Beziehungen, schrieb Außenamtssprecher Nasser Kanaani auf X. Jahrelanger Niedergang Mit der Wahl dürfte sich die jahrelange politische Krise in dem erdölreichen südamerikanischen Land noch einmal verschärfen. Schon die Wiederwahl Maduros 2018 war international von vielen Ländern nicht anerkannt worden. Der zur Opposition zählende damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich 2019 zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen – vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand. Der frühere Gewerkschafter und Busfahrer Maduro hatte 2013 die Nachfolge des charismatischen Präsidenten Hugo Chávez angetreten, der mit 59 an Krebs gestorben war. Unter Maduro hatte sich die Lage in dem einst reichen Land mit seinen großen Erdölvorkommen rapide verschlechtert. Venezuela leidet unter Missmanagement, Korruption und Sanktionen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Mehr als sieben Millionen Menschen haben das Land nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.