Der türkische Präsident droht Israel offen mit einem militärischen Einmarsch. Was steckt hinter seinen Worten? Eigentlich wollte Recep Tayyip Erdoğan über die türkische Rüstungsindustrie sprechen, für die er dann auch lobende Worte fand: "Es gibt nichts, was wir nicht tun können. Wir müssen nur stark sein", sagte der türkische Präsident auf einer Veranstaltung seiner Regierungspartei AKP in Rize am Schwarzen Meer. International ließen aber andere Aussagen des Präsidenten aufhorchen: Denn zuvor hatte Erdoğan offen mit einem Militäreinsatz in Israel gedroht: "So wie wir in Bergkarabach hineingegangen sind, so wie wir in Libyen hineingegangen sind, werden wir mit ihnen dasselbe tun." Mehr dazu lesen Sie hier . Die Drohungen des türkischen Präsidenten gegenüber Israel sind mittlerweile nichts Neues: Seitdem die Terrororganisation Hamas im vergangenen Oktober mehr als 1.000 Israelis tötete und bis heute Geiseln gefangen hält, Israel darauf mit einem Militäreinsatz mit Zehntausenden Toten antwortete, haben sich die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei deutlich verschlechtert. Dennoch zeigt die Drohung eines türkischen Militäreinsatzes auf israelischem Boden eine neue Dimension auf: Was bezweckt der türkische Präsident damit? Inflation bleibt ein Problem Erdoğan steht aktuell innenpolitisch stark unter Druck. Sich außenpolitisch zu profilieren, kommt ihm also gerade recht. Mit zwei Hauptproblemen im Inland muss der türkische Präsident derzeit umgehen: Die härtere Gangart Erdoğans kann daher zum einen als eine Reaktion auf die schwachen Ergebnisse der AKP bei Kommunalwahl im vergangenen März angesehen werden. Dort hatte die Partei deutliche Verluste einfahren müssen. Bereits zuvor hatte der Präsident verkündet, die Ein- und Ausfuhr aller Güter mit Bezug zu Israel auszusetzen. Zum anderen hat die Türkei weiter mit schwachen Wirtschaftsdaten und dabei insbesondere mit einer lang anhaltend ausufernden Inflation zu kämpfen. Aktuell liegt die Teuerungsrate in dem Land bei 71,6 Prozent. Die Inflation macht sich auch in der so wichtigen Tourismusbranche bemerkbar, wo nicht nur ausländische Gäste, sondern auch Türken aufgrund der hohen Kosten vermehrt nach Griechenland ausweichen. Das Nachbarland ist auch deshalb für viele Einheimische praktisch, da vor einigen Monaten die Visa-Regelungen zwischen beiden Ländern gelockert wurden. Allein innenpolitisch dürften die Äußerungen des türkischen Präsidenten allerdings nicht getrieben sein. Die Worte reihen sich ein in eine lange Liste von verbalen Angriffen Erdoğans auf die israelische Regierung. Mehrfach hat der türkische Präsident den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu oder andere Vertreter der Regierung mit Adolf Hitler verglichen. Auch im Nachgang seiner Drohungen zog das türkische Außenministerium diesen Vergleich. Die Terrororganisation Hamas bezeichnete der türkische Präsident indes als "Befreiungsorganisation". Erst im April war zudem der Chef der Terrororganisation, Ismail Hanija, in Istanbul zu Gast. Vergleiche wohl nicht ohne Grund Dass der türkische Präsident jetzt allerdings verbal weiter aufrüstet, dürfte auch mit anderen militärischen Einsätzen zu tun haben: Zuletzt hatte der Präsident etwa angedeutet, dass die aktuellen Missionen in Syrien und dem Irak beendet werden könnten. Mit seinen Worten könnte er weiter militärische Stärke demonstrieren. Doch wie würde ein solcher Einsatz in Israel überhaupt aussehen? Als Vergleichsgrößen hatte Erdoğan die Militäreinsätze in Bergkarabach und Libyen wohl nicht ohne Grund ausgewählt: In beiden Regionen hat die Türkei Waffen geliefert, um im Bergkarabach-Konflikt die Truppen Aserbaidschans und in Libyen die der international anerkannten Einheitsregierung zu unterstützen. Zudem gibt es Berichte, dass in beiden Regionen syrische Söldner auf Geheiß der Türkei zum Einsatz gekommen sind. Direkte Kampfhandlungen wie im Irak oder in Syrien nannte der türkische Präsident dagegen nicht als Vergleich. Das dürfte für das Nato-Land ohnehin schwierig werden, da die türkische Regierung mit ihrer Haltung im Nahostkonflikt in dem Verteidigungsbündnis isoliert ist.