Fußball spielende Kinder werden zu Opfern eines blutigen Angriffs. Als Urheber sieht die israelische Armee die libanesische Hisbollah. Israel droht mit Vergeltung.
Nach dem folgenschweren Einschlag einer Rakete auf den von Israel besetzten Golanhöhen wächst die Furcht vor einem Flächenbrand in der Region. Die Zahl der Todesopfer stieg auf zwölf, wie der israelische Militärsprecher Daniel Hagari laut einem Bericht der Zeitung "The Times of Israel" bei einer Pressekonferenz am Ort des Angriffs sagte. Die tödliche Rakete schlug auf einem Fußballplatz ein. Alle Opfer sind den Angaben nach zwischen 10 und 20 Jahren alt. Die libanesische Hisbollah habe das Geschoss abgefeuert, erklärte Hagari. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte der Schiiten-Miliz umgehend mit Vergeltung.
Hagari zufolge liegen hinreichende militärische und nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, dass die Rakete von der Hisbollah abgefeuert wurde. Zudem identifizierte er sie als eine Falak-1 aus iranischer Produktion. "Hier auf dem Fußballplatz ist eine Falak-1-Rakete eingeschlagen, eine iranische Rakete mit einem Gefechtskopf mit über 50 Kilogramm Sprengstoff", sagte er demnach. Die Falak-1 werde nur von der Terrorgruppe Hisbollah benutzt, die diesen Anschlag von Schebaa im Süden des Libanon aus verübt habe.
"Die Hisbollah wird einen hohen Preis dafür bezahlen, einen Preis, den sie bislang noch nicht bezahlt hat", zitierten israelische Medien Netanjahu. Der Regierungschef habe seine geplante Abreise aus den USA um mehrere Stunden vorgezogen, schrieb sein Büro auf X. Nach seiner Rückkehr werde der Regierungschef das Sicherheitskabinett einberufen, hieß es weiter. Netanjahu hatte in den USA eine Rede vor dem Kongress gehalten und US-Präsident Joe Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat Donald Trump getroffen.
Die Hisbollah bestritt eine Verwicklung umgehend. Hagari sprach vom tödlichsten Vorfall für israelische Zivilisten seit dem Ausbruch der Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah im vergangenen Oktober. Die israelische Militärführung trat unmittelbar nach dem Vorfall zu Lagebesprechungen zusammen. Verteidigungsminister Joav Galant seien "mehrere Optionen für Operationen gegen die Hisbollah" vorgelegt worden, teilte das Ministerium mit. Der Minister habe den Ablauf der Operationen festgelegt und entsprechende Befehle erteilt, hieß es in der Mitteilung, die keine weiteren Einzelheiten nannte.
Opfer waren arabischsprachige Drusen
Der Raketenangriff traf einen Ort, in dem vor allem arabischsprachige Drusen leben. Die Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen und siedelt heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien. In den jeweiligen Ländern legen ihre Angehörigen Wert auf inneren Zusammenhalt und Loyalität zum jeweiligen Staat.
In einer Erklärung der Hisbollah hieß es, man habe mit dem Vorfall nichts zu tun. Man weise die Vorwürfe, Madschd al-Schams angegriffen zu haben, kategorisch zurück. Armeesprecher Hagari bezeichnete dies als eine "Lüge". Die israelische Militärexpertin Sarit Zehavi verwies darauf, dass die Schiiten-Miliz zuvor Angriffe auf eine israelische Militärbasis auf dem Berg Hermon für sich reklamiert habe. "Es ist sehr leicht, die Basis auf dem Berg Hermon mit ungenauen Raketen zu verfehlen", meinte sie. Madschd al-Schams liege unmittelbar darunter.
In der US-Regierung nähre der Raketenangriff Befürchtungen, dass er zu einem offenen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah führen könnte, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid im US-Portal "Axios". "Was heute geschehen ist, könnte der Auslöser werden von dem, was wir seit zehn Monaten befürchten und zu verhindern versuchen", zitierte Ravid einen US-Regierungsbeamten. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Amerikanische und französische Diplomaten bemühen sich seit Monaten um eine Entspannung des Konflikts zwischen Israel und der Schiiten-Miliz.
"Alle im Libanon, in Palästina und in den Golanhöhen" müssten von "Ausrutschern oder Aufstachelung" im Kontext von Israels Krieg in Gaza absehen, sagte der Vorsitzende des libanesischen Parlaments, Nabih Berri. Die geschäftsführende Regierung des Landes verurteilte "alle Gewalthandlungen und Attacken gegen Zivilisten" und rief zu einem "umgehenden Ende der Kampfhandlungen an allen Fronten auf", wie Staatsagentur NNA berichtete. Die UN-Beobachtermission Unifil, die seit 1978 das Grenzgebiet überwacht, teilte mit, man sei "in Kontakt mit den Parteien, um Spannungen zu verringern".
Aus Kreisen der Hisbollah hieß es gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, die Miliz erwarte nun einen möglicherweise "harten Angriff". Man sei seit Monaten in Bereitschaft und halte Ausschau nach jeglichem Angriff des Feindes. Libanesische Medien berichteten, die Miliz habe in Erwartung eines möglichen israelischen Angriffs rund 100 ihrer Posten in Vororten südlich der libanesischen Hauptstadt Beirut geräumt. In diesen Gegenden ist die Hisbollah besonders aktiv.
Ständige Gefechte seit Ausbruch des Gaza-Kriegs
Seit Beginn des Gaza-Kriegs im vergangenen Oktober liefern sich die Hisbollah und Israels Armee nahezu täglich Gefechte. Dabei kamen auf libanesischer Seite mindestens 100 Zivilisten ums Leben, zudem wurden rund 360 Hisbollah-Kämpfer getötet. Auch auf israelischer Seite gab es Tote. Auf beiden Seiten der Grenze wurden Zehntausende durch die Kämpfe vertrieben.
Der Raketenangriff folgte auf einen israelischen Angriff im Dorf Kfar Kila nahe der libanesisch-israelischen Grenze, bei dem nach Angaben der Hisbollah vier ihrer Mitglieder getötet wurden. Die vom Iran unterstützte Miliz handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der Hamas, die auch im Libanon aktiv ist.
Der Krieg Israels gegen die Hamas wurde von dem beispiellosen Massaker mit 1200 Toten ausgelöst, das die Islamisten zusammen mit anderen Gruppen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober des Vorjahres im Süden Israels begangen hatten. Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Schulgebäude in Deir al-Balah wurden am Samstag nach palästinensischen Angaben mindestens 30 Menschen getötet. Das israelische Militär erklärte, dort eine Kommandozentrale der Hamas angegriffen zu haben.