Ein Mann fühlt sich in seiner Nachtruhe gestört. Er greift zu einer Schreckschusswaffe und geht zu einer eritreischen Kirchengemeinde. Gibt es einen extremistischen Hintergrund?
Am Landgericht Fulda hat die Berufungsverhandlung gegen einen Mann begonnen, der im vergangenen Jahr aus Ärger über nächtlichen Lärm einer feiernden eritreisch-orthodoxen Kirchengemeinde einen Schuss aus einer Schreckschusspistole abgefeuert haben soll. Zwei Menschen erlitten nach Angaben der Staatsanwaltschaft durch austretendes Gas Atemwegsbeschwerden, Schmerzen beim Schlucken und tränende Augen.
Angeklagter soll zur Tatzeit betrunken gewesen sein
Dem 54-Jährigen werden gefährliche Körperverletzung, das unerlaubte Führen einer Schusswaffe und Störung der Religionsausübung vorgeworfen. Der Angriff erfolgte am 9. Juli 2023 gegen 2.25 Uhr im Vorraum der katholischen Fuldaer St. Joseph-Kirche, die die eritreisch-orthodoxe Religionsgemeinschaft für eine besondere Feier gemietet hatte. Der Angeklagte war während der Tat laut Gutachten betrunken mit einem Wert zwischen 1,9 und 2,6 Promille.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden NS-Devotionalien wie ein Becher mit Hakenkreuz entdeckt. Im weiteren Verlauf des Prozesses wird nach Angaben von Richter Jochen Müller geklärt werden müssen, ob es einen Zusammenhang zwischen der möglichen politischen Gesinnung des 54-Jährigen und der Tat gegeben hat.
Angeklagter: "Habe aus Ärger über den Lärm geschossen"
Der Angeklagte erklärte, er habe lediglich aus Ärger über den Lärm geschossen. Er habe auf niemanden gezielt und die Waffe schräg in Richtung Boden abgefeuert. Einen politischen Hintergrund gibt es nach seiner Darstellung nicht. Seine Schwester und eine Bekannte beschrieben ihn als ruhigen und friedlichen Menschen.
Wegen des Anklagepunktes Störung der Religionsausübung geht es in dem Prozess auch um die Frage, ob zu der späten Stunde der Gottesdienst noch andauerte oder ob es sich um eine andere Art von Zusammenkunft handelte. Zwei Zeuginnen, die Mitglieder der Gemeinde sind und den Schuss in unmittelbarer Nähe erlebten, sagten zum Prozessauftakt, der Gottesdienst sei zur Tatzeit noch nicht beendet gewesen. Eritreisch-orthodoxe Messen könnten viele Stunden dauern.
Die Verteidigung will die Frage, wie lange ein derartiger Gottesdienst dauert, per Gutachten klären lassen. Begonnen hatte die Messe laut Zeugenaussagen am Vortag um 19.00 Uhr.
Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafe ohne Bewährung
Der Mann war im Februar vom Amtsgericht Fulda wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit dem unerlaubten Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Die Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden.
Gegen das Urteil hatten die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Berufung eingelegt. Der Angeklagte will mit der Berufung die Verurteilung zu einer Geldstrafe erreichen, die Staatsanwaltschaft strebt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung an.