Welche Signale sendet es aus, wenn der eigene Mann den "Solo-Sex" im Ehebett dem Sex mit seiner Frau vorzieht? Schreckliche, natürlich! Zum Glück weiß Julia Peirano Rat.
Liebe Frau Peirano,
ich bin 39, mein Mann und ich sind aus Polen. Wir haben eine vierjährige Tochter. Seit meine Tochter auf der Welt ist, hat mein Mann viel weniger Lust auf Sex mit mir. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich zwölf Kilo zugenommen habe. Seit ungefähr einem Jahr schlafen wir kaum noch miteinander, ich würde sagen, so ein bis zwei Mal ist es passiert. Mir fehlt der Sex mit meinem Mann, weil es doch irgendwie in einer Beziehung dazugehört, Sex zu haben. Die Stimmung ist auch distanzierter geworden und er erzählt mir nicht mehr so viel.
Was mich aber wirklich stört: Er mastubiert regelmäßig, und zwar in unserem Bett, während ich daneben liege und er glaubt, dass ich schon schlafe. Oder ich wache von seinem Stöhnen auf. Ich habe das mal angesprochen, aber er hat gesagt: "Das ist doch normal. Sei doch froh, dass ich es mit mir mache."
Darüber denke ich jetzt dauernd nach. Was heißt das: Soll ich froh sein, dass er alleine Sex hat und nicht mit mir? Oder dass er nicht zu anderen Frauen geht? Was ich auch mache, um darüber mit ihm ins Gespräch zu kommen: Er mauert.
Ich habe auch schon versucht, ihn zu streicheln oder schöne Unterwäsche zu tragen, aber er wehrt mich ab.
Was raten Sie mir?
Viele Grüße
Elzbieta P.
Liebe Elzbieta P.,
ich kann verstehen, dass Sie sich Gedanken machen und auch, dass Sie mit der Situation sehr unzufrieden sind. Für Sie gehört Sexualität zu einer Beziehung dazu, und Sie wünschen sich Intimität mit Ihrem Mann, aber er zeigt Ihnen die kalte Schulter und weist Sie ab. Und leider spricht er auch nicht darüber, was in ihm vorgeht, sondern hat sich bereits abgekapselt. Und so können Sie nichts an der Situation ändern, sondern bleiben mit Ihren Zweifeln und Sorgen allein.
Eine erfolgreiche Basketballtrainerin hat mal gesagt: "In the absence of feedback our brain fills the gap with negativity." (Wenn Rückmeldung ausbleibt, füllt unser Gehirn die Lücke mit Negativität.) Ein wahrer Satz!
Wir Menschen sind soziale Wesen und deshalb brauchen wir alle Bestätigung und Wertschätzung. Auf einer ganz tiefen Ebene sind liebevolle körperliche Berührungen, intensiver Sex und Komplimente eine Bestätigung für uns selbst. Und natürlich sind auch wertschätzende Gespräche, aufrichtiges Interesse und die Lust auf gemeinsam verbrachte Zeit ein untrügliches Zeichen der Wertschätzung, und Menschen, die das nicht bekommen, vereinsamen oder entwickeln sich nicht weiter. Wer in einer Beziehung ist, sei es mit einem Partner, Freunden oder Kindern, kann auch gerne Wertschätzung in Form von respektvoller und ehrlicher Spiegelung geben. Wenn ich freundliche Kritik oder Verbesserungsvorschläge anbiete, zeigt das auch, dass jemand mir etwas bedeutet. (Feedback und Spiegelung, auch unbequeme, sind übrigens auch therapeutische Aufgaben. Sie geben Halt und Orientierung).
Wenn Ihr Mann Ihnen sagen würde, dass Sie deutlich besser ausgesehen haben, als Sie zwölf Kilos weniger gewogen haben und er Ihnen beim Abnehmen helfen würde, wäre das auch eine Wertschätzung. Oder wenn er Ihnen sagen würde, warum er nicht mehr mit Ihnen schlafen will, würde das zeigen, woran Sie beide arbeiten könnten.
Aber Ihr Mann hat sich von Ihnen zurückgezogen und sich wie ein Igel eingerollt. Er redet nicht mit Ihnen, schläft nicht mit Ihnen und lässt Sie abblitzen, wenn Sie das ansprechen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich einsam fühlen in Ihrer Beziehung. Die Spitze des Eisbergs ist, dass er auch sexuell "Solo-Sex" hat. Schauen wir uns deshalb das Masturbationsthema doch mal systematisch an.
Der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat vor Jahrzehnten ein Kommunikationsmodell erstellt, das sogenannte Kommunikationsquadrat oder „Vier Ohren Modell“. Jede Nachricht hat demnach vier Ebenen: Die Sachebene, die Selbstoffenbarungsebene, die Beziehungsebene und die Appellebene.
Seine Buchreihe ist empfehlenswert: Friedemann Schulz von Thun. "Miteinander reden 1-4"
Wenn mein Vater am Esstisch sagt: "Es ist kein Salz da", kann ich das mit jedem der Ohren besonders hören, und dadurch bekommt es eine jeweils andere Bedeutung.
Auf der Sachebene höre ich: Salz fehlt und bekomme einfach die Information, dass kein Salz da ist. Auf der Selbstoffenbarungsebene höre ich: "Ich brauche mehr Salz, dann schmeckt mir das Essen besser." Auf der Beziehungsebene höre ich vielleicht: "Du bist eine Frau, du bist dafür zuständig, Salz zu holen.“ (Hier besteht Konfliktpotenzial!) Oder ich höre einen Tadel: "Du hast schon wieder etwas vergessen, nie bist du perfekt." Oder, wenn er bereits aufsteht, um Salz zu holen: "Ich helfe dir mal schnell." Und auf der Appellebene höre ich: "Hol (bitte) Salz" oder "Zack zack, hol Salz!"
Je nachdem, auf welchem Ohr ich die Nachricht meines Vaters höre, fällt meine Antwort aus:
Entweder ich gehe einfach Salz holen oder ich sage ihm: "Wie redest du eigentlich mit mir? Hol dir dein scheiß Salz doch einfach selbst."
Sachebene: Ich habe Solo-Sex
Selbstoffenbarungsebene: Ich habe sexuelle Lust und befriedige mich selbst, und zwar egal ob du, meine Frau, daneben liegst oder nicht.
Beziehungsebene: Ich will nicht mit dir Sex haben. Fass mich nicht an, lass mich in Ruhe. Und ich nehme es mir heraus, neben dir zu masturbieren und mache mir nicht die Mühe, es heimlich und diskret zu tun.
Appellebene: Ignoriere es! Sprich nicht mit mir darüber.
Durch diese "Analyse" werden die Probleme deutlicher. Denn eigentlich lernen wir als Kinder, dass man zwar masturbieren darf, aber dass man das bitte macht, wenn niemand anders es mitbekommt (wie auch in der Nase zu bohren). Ich habe einmal nach einem Nachtflug mitbekommen, wie sich mein Sitznachbar unter einer Decke selbst befriedigt hat und fand das abstoßend! Abgesehen davon ist öffentliche Masturbation wie andere offene sexuelle Handlungen ja auch als "Erregung öffentlichen Ärgernisses" einzustufen und damit nach § 183 a StGB eine Straftat.
Man kann natürlich voreinander oder miteinander masturbieren, wie z.B. pubertierende Jungs oder auch Paare das tun. Das ist dann aber eine gemeinsame intime Tätigkeit, die verbindend und erregend sein sollte. Wenn z.B. eine Frau zuschaut, wie ihr Partner oder ihre Partnerin sich selbst befriedigt, kann das durchaus interessant und lustvoll sein.
Doch das, was Ihr Mann tut, gehört eindeutig auf die respektlose Ebene: Er bezieht Sie ja keinesfalls in seine Selbstbefriedigung ein, damit Sie auch Spaß daran haben, sondern er grenzt Sie aus, wie es durch das Beziehungsebenen-Ohr deutlich wird.
Und das ist sehr unhöflich! Wenn ich mit einem Kumpel im Urlaub wäre und in einem Bett oder Zelt schlafen würde, könnte er natürlich masturbieren, so oft er wollte. Aber es wäre ein Gebot der Höflichkeit, dass er es heimlich und diskret macht (so wie in der Nase zu bohren). Denn seine Sexualität geht mich nichts an bzw. möchte ich nichts damit zu tun haben.
Ihr Mann behandelt Sie eigentlich so, als wären Sie Luft, wenn er neben Ihnen masturbiert. Sie haben zwar nicht mehr viel mit seiner Sexualität zu tun, weil er Sie abweist, aber dennoch sollen Sie so tun, als wäre nichts, wenn er Solo-Sex hat. Und das passt einfach nicht zusammen.
Sachebene: Du masturbierst neben mir, sodass ich es mitbekomme.
Selbstoffenbarungsebene: Ich mache mir Gedanken und Sorgen darüber, warum du mit mir keinen Sex haben willst, und es macht mich auch traurig und ärgerlich.
Beziehungsebene: Es passt für mich nicht in unsere Beziehung, dass du neben mir masturbierst, als wäre ich Luft. Ich fühle mich dadurch missachtet.
Appellebene: Rede mit mir darüber, wie wir wieder Sex haben können! Und masturbiere heimlich, sodass ich es nicht mitbekomme!
Ich hoffe, dass Ihnen das hilft, etwas mehr Klarheit zu bekommen und sich an der Stelle abzugrenzen.
Herzliche Grüße
Julia Peirano
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