Joe Biden hat seine Kandidatur zur Wiederwahl als US-Präsident zurückgezogen – die Demokraten müssen nun schnell seine Nachfolge regeln. Chaos vermeiden soll dabei ein nie da gewesenes Vorgehen. Bastian Brauns berichtet aus Washington "Blitz Primary" – seit Tagen kursiert bei den Demokraten ein Papier, das diesen Titel trägt. Es ist ein Notfallplan, der umgesetzt werden soll, wenn das passiert, was am Sonntag tatsächlich eingetreten ist: der Rückzug Bidens als Kandidat zur Wiederwahl als US-Präsident ( Mehr dazu lesen Sie hier ). Dem Plan, der t-online vorliegt, könnte in den nächsten Tagen große Bedeutung beikommen. "Wenn Präsident Biden sich entscheidet, nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, muss die Demokratische Partei schnell und entschieden ein faires Verfahren zur Auswahl ihres neuen Kandidaten festlegen", lauten die einleitenden Worte des Dokuments. Ein plötzlicher Rückzug Joe Bidens, wie er nun kam, wird darin als "beispiellose Herausforderung" beschrieben. Doch statt des in einer solchen Situation möglichen Chaos soll daraus bestenfalls eine "beispiellose Chance für die Partei und das Land" entstehen. Die Lösung der Kandidatenfrage soll laut diesem Memo den Entscheidungsträgern in der Partei aufzeigen, wie sie per "Blitz Primary", also mittels einer erneut stattfindenden "Sondervorwahl" überzeugenden Ersatz finden könnten. Der ungewöhnliche "Blitz"-Vorschlag stammt laut dem US-Medium "Semafor" von der Juraprofessorin Rosa Brooks, die an der Washingtoner Georgetown University lehrt und die für die Obama-Regierung, aber auch schon für Bill Clinton tätig war. 2020 arbeitete sie außerdem als politische Beraterin im Wahlkampfteam von Joe Biden . Mitgeschrieben hat zudem Ted Dintersmith, ein Risikokapitalgeber, der schon mehrere Wahlkämpfe der Demokraten mit großen Summen unterstützt hat. Kamala Harris wäre nicht gesetzt Dem Vorschlag zufolge wäre Vizepräsidentin Kamala Harris zwar die vielleicht geeignetste Alternative. "Aber sie wird noch viel stärker sein, wenn sie die Nominierung gewinnt", schreiben die Autoren. Sie hätte die Chance, neben "mehreren anderen inspirierenden Führungspersönlichkeiten" zu stehen. Dabei könne sie nicht nur Partei-Eliten überzeugen, sondern auch die breite, amerikanische Öffentlichkeit. Bis zum demokratischen Nominierungsparteitag im August könnten nun drei Phasen folgen. Phase I: Innerhalb weniger Tage erstellt die Partei in einem fairen und transparenten Verfahren eine Liste von Kandidaten für die "Blitz-Vorwahl", also einer Art superschnelles und verdichtetes Nominierungsverfahren. Alle Kandidaten sollen sich dabei dazu verpflichten, einen positiven Kurzwahlkampf zu führen, also ohne harte gegenseitige Attacken, um dann schließlich den endgültigen Kandidaten zu unterstützen. Phase II: In einer Art "Amerika sucht den Superstar"-Format sollen sich die verschiedenen Kandidaten im Fernsehen den Amerikanern vorstellen. Vorteil: Die Demokraten wären endlich wieder mit positiven Nachrichten in den Schlagzeilen und bislang unbekanntere Kandidaten könnten auf diese Weise schnell landesweit bekannt werden. Warum dieses "geplante Chaos" den Demokraten womöglich wirklich helfen könnte, darüber sprach bei t-online auch schon der US-Wahlkampf-Experte Julius van de Laar . Phase III: Der Parteitag im August in Chicago würde für viel größere Aufmerksamkeit sorgen. Es könnte dann tatsächlich spannend werden, weil eben kein Kandidat schon von vornherein feststeht. Die Hoffnung der Autoren: So könnte ein "riesiges Publikum" angezogen werden, bei dem auch bislang desinteressierte Wähler hinschauen, weil sie dankbar sein könnten, dass es frische Alternativen zu dem Revanche-Wahlkampf zwischen den beiden unbeliebten, bisherigen Kandidaten Joe Biden und Donald Trump gibt. Promis für den Präsidentschaftskandidaten Eine besondere Idee des "Blitz"-Prozesses soll außerdem sein: Statt in einem klassischen TV-Format könnten die Kandidaten von berühmten amerikanischen Persönlichkeiten vorgestellt werden. Als Namen kursieren unter anderem: die Moderatorin Oprah Winfrey , die frühere First Lady Michelle Obama, aber auch Republikanerinnen und Republikaner, die sich offen gegen Donald Trump gestellt haben. Zum Beispiel: die früheren Kongressabgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger. Im Gespräch sind auch der bekannte YouTuber Mr. Beast sowie führende Ökonomen und die frühere republikanische US-Außenministerin Condoleezza Rice. Am Ende ihres Memos warnen die Autoren: "Wir alle wissen, dass Donald Trump jede Schwachstelle seines Gegners zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen wird." Darum könnte eine "Blitz"-Vorwahl neue Schwachstellen aufdecken, da sich die neuen Kandidaten in dem kurzen Wettkampf bei den Debatten gegenseitig beschädigen könnten. Die jetzige Einheit der Partei sei aber ohnehin nur eine vorgetäuschte. Ein transparent geführter Wettbewerb könnte am Ende eine "innere Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlen". Diese "Blitz Primary" sei letztlich eine historische Chance für die Demokraten und für Amerika, der Bevölkerung das zu geben, wonach sie sich sehnt: Aufbruch.