Continental Kryptotal im Test: Jahrelang fristeten Continental-Gravity-Reifen ein Nischendasein, aus dem sich der deutsche Hersteller Anfang 2022 jedoch mit einem Paukenschlag befreit hat. Der Continental Kryptotal erfreut sich seitdem unter Profis wie Amateuren größter Beliebtheit. Wir haben ihn in der Enduro und DH-Variante getestet, um zu checken, ob der Hype auch gerechtfertigt ist.
Anfang 2022 hat Continental eine komplett neue Reifen-Palette für den Trail- bis Downhill-Einsatz vorgestellt (Neue Continental Gravity MTB-Reifen). Der Continental Kryptotal ist der Allrounder für gemischte Bedingungen und wird als jeweils eigene Version für das Vorder- oder Hinterrad angeboten. Ihr habt die Wahl aus der Trail-, Enduro- oder Downhill-Karkasse – letztere gibt’s zudem in soft oder super soft-Mischung. Wir haben den Kryptotal Fr und Re am Enduro- und Downhill-Bike getestet.
Preis (UVP): 79,95 € (Enduro) | 89,95 € (DH) | Bikemarkt: Continental Kryptotal kaufen
Eins ist klar: In die neue Gravity-Reifen-Palette ist ganz schön viel Arbeit geflossen. Alleine am Kryptotal gibt es umfangreiche Auswahlmöglichkeiten in Sachen Durchmesser, Breite, Karkasse, Gummimischung und Profil. So firmieren unter dem Namen Kryptotal in Wirklichkeit zwei Reifen: der Kryptotal Fr fürs Vorderrad und der Kryptotal Re fürs Hinterrad. Theoretisch kann man natürlich jeden Reifen vorn oder hinten fahren, was im Downhill World Cup auch von verschiedenen Fahrer*innen wie etwa Vali Höll oder Andi Kolb praktiziert wird.
Continental bietet drei verschiedene Karkassen an: Trail, Enduro und Downhill. Wir hatten die beiden letztgenannten im Test. Die dünne Trail-Karkasse kommt stets gemeinsam mit der ziemlich harten Endurance-Gummimischung, die eher auf einen geringen Rollwiderstand als maximalen Grip optimiert ist. Enduro-Reifen hingegen kombiniert Conti ausschließlich mit der mittleren „soft“-Mischung. Wer in den Genuss wirklich klebrigen Gummis kommen will, muss also zur DH-Karkasse greifen. Hier hat man die Wahl aus „soft“ oder „super soft“. Aus diesem Grund sind wir sowohl die Enduro-, als auch die DH-Reifen am Enduro-Bike gefahren. Auffällig ist zudem der vergleichsweise geringe Gewichtsunterschied: So wiegen die Downhill-Reifen mit ca. 1.300 g nur etwas über 100 g mehr als die Enduro-Reifen und sind im Vergleich zur Konkurrenz relativ leicht.
Beide Kryptotal-Varianten werden passen für 27,5″ oder 29″-Laufräder angeboten und kommen in 2,4″ oder 2,6″-Breite – wir haben uns für die schmalere Version in 29″ entschieden. Zudem setzen beide auf identische Seitenstollen, lediglich die Mitte der Lauffläche unterscheidet sich je nach Einsatzgebiet. So soll der Kryptotal Fr Führung und Halt in Kurven vermitteln und verfügt daher über mehrere kleine, stark angeschrägte Mittelstollen. Der Kryptotal Re hingegen ist für den nötigen Bremsgrip zuständig und weist breite Bremsflanken auf. Beiden Reifen sind die recht hohen Stollen mit scharfkantig und prominent abstehend Seitenstollen gemein.
Zunächst müssen wir erläutern, was genau wir unter den verschiedenen Kryptotal-Varianten eigentlich getestet haben. Wir hatten mehrere Sets, bestehend aus Kryptotal Fr und Kryptotal Re im Test, die mit Enduro-Karkasse und Soft-Mischung oder DH-Karkasse und Super Soft-Mischung kamen. Die DH-Reifen sind wir sowohl im Downhill-Einsatz als auch am Enduro gefahren.
Bereits bei der Montage fallen einige Besonderheiten auf. Die Karkasse ist jeweils für den gedachten Einsatzzweck eher auf der dünnen Seite, dafür jedoch ziemlich fest und wenig dehnbar. Bei der Montage waren Reifenheber definitiv notwendig und dazu trotz eigentlich guter Technik meinerseits auch etwas Kraft. Die Conti-Reifen lassen sich definitiv weniger leicht aufdehnen als Maxxis, Specialized oder auch Schwalbe-Reifen. Das Tubeless-Setup klappt dafür relativ problemlos: Die Enduro-Reifen auf DT Swiss EXC 1200-Laufrädern konnten einfach mit der Standpumpe aufgepumpt werden, bei den steiferen Downhill-Reifen auf Stans Flow EX3-Felgen war ein Druckluft-Reservoir nötig – dieses hat den Reifen beim ersten Versuch jedoch sofort in die Felgenflanke gedrückt. DH-Reifen auf die DT-Carbon-Felgen gingen einmal ohne, einmal mit Druckluft-Reservoir drauf. Danach war auch nach längerem Rumstehen kein nennenswerter Luftverlust messbar.
Los ging’s mit dem Enduro-Bike und den Enduro-Reifen. Diese verfügen über einen ungewöhnlich runden Querschnitt, was sich beim allerersten Proberollen etwas komisch anfühlte, aber schnell nicht mehr aufgefallen ist. Der Rollwiderstand fällt für das grobe Profil auch auf Asphalt akzeptabel aus. In technischen Anstiegen beißt der Hinterreifen zuverlässig in den Boden, rutscht aber an feuchten Wurzeln und Steinen gerne mal ab. Das macht sich ziemlich stark in der Abfahrt bemerkbar: In losem Boden greifen die Soft-Reifen wie kaum etwas anderes mir bekanntes. Trifft man auf eine Wurzel oder einen Stein, rutschen sie allerdings recht unvermittelt ab.
Noch ausgeprägter ist dies bei feuchten Bedingungen. An sich ist der Kryptotal ein hervorragender Allround-Reifen, den man auch bei ordentlich Nässe in losen Böden sehr gut fahren kann. Das Profil verfügt über eine solide Selbstreinigung, vor allem machen sich jedoch die markanten Seitenstollen bemerkbar, die jede Menge Kurvengrip bereitstellen. Ich hatte Situationen, in denen ich die Kurven-Rut gar nicht getroffen habe und gedanklich schon auf der Nase lag, war jedoch verwundert, dass der Vorderreifen, sich durch den Dreck fressend, trotzdem dem Lenkimpuls gefolgt ist. Man muss sich aber definitiv daran gewöhnen, dass die Reifen in der Soft-Mischung auf allem, was hart ist und feucht glänzt, nicht so brachial halten und recht plötzlich ausbrechen können.
Entsprechend gespannt war ich auf die weicheren Downhill-Reifen. Diese erhöhen den Rollwiderstand wohl vor allem durch das weichere Gummi spürbar, auch wenn dieser im Gelände auf einem für mich immer noch absolut verträglichen Maß liegt. Durch das moderate Gewicht hat man nicht das Gefühl, durch Kaugummi zu treten. Recht erstaunt war ich darüber, dass die Reifen auf harten Böden trotz der scharf abstehenden Seitenstollen gut aufliegen und wenig walken.
Lediglich mit einem E-Bike mit Enduro-Karkasse und Crankbrothers-Felgen hatte ich bei meinem normalen Luftdruck ziemlich ausgeprägtes Burping und Luftverlust am Hinterrad, was ich jedoch der Reifen-Felgen-Kombination zuschieben würde. Die stark abgestützten Seitenstollen knicken zwar nicht weg wie etwa beim Specialized Butcher (Test), bringen aber auch viel Last auf die Karkasse. Mit minimal erhöhtem Luftdruck trat das Problem nicht mehr auf.
Der Kurvengrip der Downhill-Reifen in frischen Böden liegt meiner Meinung nach spürbar über einem Schwalbe Magic Mary Super Soft oder Maxxis Assegai MaxxGrip und ist auch in Sachen Bremsgrip eine echte Bank. Die weichen DH-Kryptotals sind nicht ganz so allergisch auf nasse Wurzeln, wobei ich etwa Maxxis MaxxGrip-Reifen in solchen Situationen als klebriger und berechenbarer empfunden habe. Auf Hardpack benötigen die Conti-Reifen ziemlich Gegendruck, belohnen dies jedoch mit einem direkten Fahrgefühl. Ich hatte allerdings einige Momente, in denen ich das Rad aus einer Kurve heraus etwas zu früh entlastet habe, was zu sehr abrupt ausbrechenden Reifen geführt hat. Meiner Meinung nach liegt das an dem an der Oberfläche recht harten Gummi, das stets etwas Druck benötigt, um sich am Boden anzuschmiegen. Hingegen war ich beeindruckt, dass die Kryptotals sogar bei schmierigen Bedingungen auf Hardpack teilweise eine unglaublich gute Kurvenführung haben, solange man zentriert im Rad steht.
In Sachen Dämpfung liegen die Conti-Reifen gefühlt irgendwo zwischen entsprechenden Maxxis und Schwalbe-Karkassen. Ich bin meist denselben Luftdruck wie an Maxxis-Reifen gefahren (1,6–1,7 bar vorn / 1,7–1,8 bar hinten) und fand das Feedback vom Boden vergleichbar, aber ein wenig direkter. Relativ beeindruckend ist nach mehreren Monaten Test auf teilweise sehr harten Downhill-Strecken die Platten-Blianz: Es gab nämlich keine. Auch der Verschleiß ist äußerst gering. Bei den Downhill-Reifen sind mittlerweile die Bremskanten weggebrochen und die meisten Stollen zeigen am Fuß Rissbildung. Wer seine Reifen jedoch absolut runterfahren will, hat sicherlich monatelang Spaß mit den Continental Kryptotal. Den Verschleiß, den die Reifen nach mehreren Wochen gezeigt haben, hatte ich an anderen Downhill-Reifen nach 2–3 Bikepark-Tagen. Inserts wurden während des Tests nicht genutzt.
Mit dem Continental Kryptotal hat der deutsche Reifen-Riese einen Allround-Reifen im Angebot, der den unmöglichen Spagat aus Kontrolle, Grip in allen Lebenslagen und sehr geringem Verschleiß beeindruckend gut bewältigt. In losen Böden ist der Reifen eine Macht, doch auch auf Hardpack verbeißt er sich bei entsprechendem Anpressdruck beeindruckend gut in den Boden. Dazu gibt's eine gute Dämpfung und exzellente Pannensicherheit bei einem moderaten Gewicht. Bringt man nicht genug Druck auf den Reifen, kann der Grip allerdings recht unvermittelt abreißen.
Testablauf
Ich bin die Continental Kryptotal-Reifen seit Ende 2023 in der Enduro- und DH-Version sowie Soft und Super Soft-Gummimischung am Downhill- und Enduro-Rad gefahren. Dabei haben sie alles von extrem trockenen bis zu schlammigen Böden, Loamer und Hardpack-Bikepark-Strecken erlebt.
Hier haben wir die Continental Kryptotal-Reifen getestet
Körpergröße | 183 cm |
Schrittlänge | 85,5 cm |
Oberkörperlänge | 60 cm |
Armlänge | 61 cm |
Gewicht | 80 kg |