Bisher lief die Downhill World Cup-Saison zwar überaus solide, aber nicht ganz nach den Vorstellungen von Andreas Kolb. Spätestens nach dem ereignisreichen und verregneten Rennen in Les Gets kann man jedoch sagen, dass der Knoten geplatzt ist. Wie das Wochenende für ihn lief und wie er es geschafft hat, unter diesen Bedingungen auf Platz 2 zu rasen, verrät euch Andi in seinem Rennbericht.
Les Gets – seit letztem Jahr mein absolutes Lieblingsrennen. 2023 war es wirklich das coolste Rennen, das ich jemals gefahren bin. Der zweite Platz hinter Benoit Coulanges war natürlich ein bisschen bitter. Aber die Stimmung, Strecke und das ganze Drumherum machen es zur besten Location im World Cup. Deshalb habe ich mich schon brutal drauf gefreut.
Die Woche vor dem Rennen waren wir bereits mit Jordi von Fox in Morzine am Testen. Das war dann ein riesiger Confidence-Boost. Ich habe gewusst, dass ich ein bisschen Probleme mit dem Fahrwerk habe. Bereits bei der Staatsmeisterschaft am Schöckl (zur Fotostory) habe ich zum Glück ein paar Schritte in die richtige Richtung gemacht und konnte das Setup verbessern. Doch in Morzine haben wir noch mal Riesenschritte gemacht. Es hat sich herausgestellt, dass ich zu sehr auf der Federseite unterwegs war. Zudem hatte ich noch einen etwas älteren Dämpfer im Rad und bin auf einen neuen Dämpfer gewechselt, mit dem ich eine bessere Balance habe und verspielter fahren kann.
Zum World Cup-Rennen ging es dann rüber nach Les Gets. Beim Trackwalk hat sich gezeigt, dass sich die Strecke kaum verändert hat. Oben wieder extrem schnell, dazu wurde ein neuer Double reingebaut, der etwas sketchy ausgesehen hat, und ein paar neue Kurven. Also wirklich nur ganz kleine Änderungen, aber nichts Dramatisches. Im letzten Teil haben sie noch mal eine neue Sektion reingesteckt, die komplett frisch war, was immer cool ist, wenn man etwas Loam dabeihat. Am Ende gab’s wieder den eher weniger erfreulichen Motorway, mit sehr unspaßigen Sprüngen. Das Einzige, was in Les Gets nicht so gut ist, sind die Sprünge. Dennoch waren wir alle höchst motiviert.
Der erste Trainingstag war ziemlich tricky. Es war ganz schön nass, die Wochen davor. Im letzten Jahr war es in Les Gets super trocken und schnell, jetzt war es plötzlich sehr langsam und rutschig. Es ist dann jedoch ziemlich schnell aufgetrocknet und war ganz interessant auf der Reifenseite. Da hat man alles gesehen: Von Trockenreifen über Intermediate bis Full-Spikes hat wirklich jeder alles ausprobiert.
Leider ist das Timed Training seit letztem Jahr, also seitdem jeder mitfahren kann, ziemlich ungeregelt. Das macht es schwer, einen schnellen Lauf runterzubringen. Trotzdem habe ich probiert, Gas zu geben, bin jedoch auf jemanden aufgelaufen und musste die letzte Sektion nachfahren. So war ich dann auf Platz 6, glaube ich, was okay ist. Ich hatte jedoch ein extrem gutes Gefühl auf dem Rad und die Veränderungen am Bike waren alle sehr gut!
Im Training morgens habe ich schon wirklich extrem Gas gegeben. Ich glaube, dass ich das in den letzten Rennen etwas vernachlässigt habe und zu spät Vollgas gefahren bin. In der Quali habe ich dann ordentlich attackiert und war richtig gut unterwegs. Ich dachte mir, dass ich mir diesmal Punkte für die Gesamtwertung hole. Entsprechend war ich in der ersten Zwischenzeit Erster, an der nächsten Zweiter und an der dritten Dritter. Doch dann hatte ich leider einen leichten Kontakt mit einem Baum und bin aus der Strecke raus. Das Video dazu findet man auf meinem Instagram-Account. Obwohl ich nicht gestürzt bin, war der Rennlauf natürlich vorbei und ich bin nur gemütlich runtergerollt. Es war jedoch gut zu wissen, dass die Pace da ist!
Anschließend ging es sofort hoch zum Semi-Finale – das ist mittlerweile echt stressig. Ich war zudem etwas nervös, da mir genau ein Punkt gefehlt hat, um „protected“ für das Finale zu sein. Ich war 10. in der Gesamtwertung hinter Oisin O’Callaghan und bin damit genau aus dem Protected-Status rausgerutscht. Zudem hat mich Jackson Goldstone rausgeschoben, der zwar die ganze Saison ausfällt, aber eben den Status genießt. Im Semi-Finale habe ich dann trotzdem probiert zu pushen, was auch oben gut gelungen ist. An der dritten Zwischenzeit war ich wieder Platz 2, aber im unteren Teil war der Kopf ein bisschen zu viel dabei und ich habe zu viel in die Bremse gegriffen. Ich wollte natürlich auf keinen Fall stürzen und so das Finale verpassen.
Das hat auch geklappt und ich war am Ende 7. – nicht zu weit hinten, mit etwa 3 Sekunden Rückstand. Das war ok und ich wusste, wo ich das alles habe liegen lassen. Da es ein paar Verzögerungen gab, bin ich dann sofort, ohne mich umzuziehen, hoch zum Trackwalk und habe dabei noch ziemlich viele Linien gefunden. Zu dem Zeitpunkt wussten wir schon, dass der Regen am nächsten Tag reinkommen würde. Deshalb hieß es beim Trackwalk dann, entsprechende Regenlinien zu suchen und sich mental auf die nassen Bedingungen vorzubereiten und zu wissen, wo man lang fährt. Später am Abend kam dann auch noch eine E-Mail, die uns informiert hat, dass es vermutlich am nächsten Tag schon früher losgehen und das Rennen wegen des Regens vorverlegt wird. Damit wollte man sicherstellen, dass das Rennen stattfinden kann und nicht wegen Gewitter, Blitz und Sturm abgesagt wird, was ich sehr gut finde!
Am Finaltag ging es dann richtig früh los – gemeinsam mit Charlie Hatton und Nina Hoffmann waren wir als die ersten Fahrer viel zu früh oben. Ich glaube, wir standen schon um 8:30 Uhr am Start und haben aufs Training gewartet. Das war dann noch komplett trocken und irgendwie komisch: Einerseits habe ich im Trockenen alles gegeben und probiert, so schnell wie möglich zu fahren. Andererseits musste ich natürlich die Regenlinien trainieren … das war schon sehr tricky. Ich habe mich aber sehr gut gefühlt und die Linien haben super gepasst, worüber ich ziemlich stoked war.
Schon beim Aufwärmen und Herrichten im Pit vor dem Finale habe ich die ersten Regentropfen abbekommen und gewusst: Das wird ein Regen-Rennen! Charlie ist als zweiter Starter ziemlich früh hoch und hat mich gut über die Bedingungen unterrichten können. Zu dem Zeitpunkt war ich dann selbst schon oben und wusste – es wird echt schwer! Er ist im letzten Teil ziemlich hart gestürzt, das hat sich auch als Schlüsselstelle herausgestellt. Alle Fahrer waren gemeinsam oben im Warm-up-Zelt. Normalerweise ist da eine extrem Testosteron-geladene Atmosphäre am Finaltag. Diesmal war es aber eher das Gegenteil: Wir haben alle miteinander den Livestream geschaut und hatten fast schon Spaß daran. Wenn man andere Fahrer stürzen sieht, ist das zwar an sich nicht so lustig, aber es war eine eigenartige Atmosphäe und jeder war sehr gechillt beim Warm-up und nicht so aufgehyped wie sonst. Man hat eher probiert, sich zu beruhigen.
Wir haben natürlich gesehen, dass da im letzten steilen Teil eine Linie ist, die ist einfach nicht oder fast nicht fahrbar. Ganz wenige haben es geschafft, aber es war schon ein richtiges Gamble. Da wusste ich, ich muss auch die Linie ersetzen. Von meinem Trainer, dem Markus Pekoll, habe ich noch eine Nachricht bekommen, dass die Bedingungen genau meins sind! Einfach mit Kopf fahren und nicht zu hart pushen, dann ist man gut dabei [hier unser Podcast mit Markus Pekoll zu Les Gets, Anm. d. Red.]. Genau das hab ich auch gemacht: Ich hab’s easy genommen und gedacht: „Heute fahre ich ein geiles Ergebnis ein!“ Einfach safe und clean. Nicht drüber pushen, dann bin ich gut dabei. Vielleicht war ich teilweise etwas zu gemütlich, ich hätte auf jeden Fall schneller fahren können.
Ins letzte Steilstück rein musste ich wirklich auf Sicht fahren – ich wusste nicht einmal so richtig, wo die Linie überhaupt ist. Ich musste das suchen, bin da irgendwie runtergeeiert und habe geschaut, dass ich am Bike bleibe. Das war nicht schnell, aber safe. Im Ziel habe ich Greg Minnaar, der als Erstes gestartet ist, aus dem Hotseat geworfen. Der hat vermutlich bereits gedacht, er gewinnt das Rennen, aber ich war vor ihm, was mega cool war. Im Ziel hab ich mich ordentlich feiern lassen und bin rauf auf den Hotseat. Ich war mir aber sicher, dass die Zeit nicht halten wird: Die Franzosen geben Gas daheim und wer wirklich gewinnen will, der gibt auch Gas. In dem Mindset war ich leider nicht ganz, wobei ich sonst vielleicht gestürzt wäre.
Ich war mir sicher, dass 5 s easy drin sind und das hat man dann ja auch gesehen: Amaury Pierron, zweitletzter Fahrer, kommt runter und demoliert meine Zeit absolut. Da muss man schon sagen: Hut ab vor dem Kollegen im Moment! Der ist einfach auf einem anderen Niveau, wobei ich das eher mental verordnen würde. Der hat’s einfach stehen lassen, was ich schon auch hätte machen können … aber man muss es halt auch machen und runterbringen. Wir haben uns dann ziemlich feiern lassen von den Fans, das Crowdsurfing war ziemlich wild. Meine Schwester war dabei, die ist sogar runtergekommen und Leute sind ins Ziel rübergelaufen und es ist extrem eskaliert.
Genauso das Podium: Wenn man in Les Gets da draufsteigt und Tausende von Leuten und stehen und einen anfeuern, da fühlt man sich fast wie ein Rockstar. Das ist absolut grenzgenial! Danach ist natürlich noch gefeiert worden und jetzt heißt es erstmal chillen für kurze Zeit. Daheim Motorrad fahren, ein bisschen was testen am Bike und dann geht’s eh schon wieder los mit der Europameisterschaft in Champery und danach der Weltmeisterschaft. Ich hab endlich Fahrt aufgenommen, fühle mich gut und kann es kaum erwarten, mich ordentlich mit dem Amaury zu battlen beim nächsten Rennen.
Danke an alle Leser, auch für das Feedback, das freut mich immer sehr. Bis zum nächsten Mal!
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