Ein brutaler Mord beschäftigt Italien seit neun Jahren. Der Täter war trotz mehrfacher Verurteilung keinen einzigen Tag in Haft. Dann war der Unternehmersohn verschwunden – bis jetzt.
Zehn Tage lang fahndete die Polizei in ganz Europa nach einem Italiener, der seinen Onkel ermordet und in einem Ofen verbrannt hatte. Nun wurde er gefasst. Der 39-Jährige ging der Polizei in seinem Haus in Soiano am Gardasee in Oberitalien ins Netz, wie die Behörden mitteilten. Die genauen Umstände waren zunächst unklar.
Giacomo B. wurde wegen der Ermordung seines Onkels Mario B. inzwischen drei Mal zu lebenslanger Haft verurteilt. Als das oberste Gericht, der Kassationsgerichtshof in Rom, das Urteil am 1. Juli in letzter Instanz bestätigte und die Polizei ihn daraufhin in seinem Haus am Gardasee abholen wollte, war der 39-Jährige untergetaucht, samt Lebensgefährtin und Sohn. Zuletzt war vermutet worden, dass sich der Unternehmer noch vor seiner endgültigen Verurteilung nach Spanien abgesetzt hatte, möglicherweise sogar auf die Kapverdischen Inseln.
Zuvor waren bereits zwei andere Gerichte zum Urteil gekommen, dass er im Oktober 2015 in der oberitalienischen Gemeinde in der familieneigenen Gießerei seinen Onkel ermordete und dann verbrannte. Das Opfer, ein 50 Jahre alter Firmenchef, hatte sich wenige Minuten zuvor noch mit seiner Frau zum Abendessen verabredet. Seither fehlt von ihm jede Spur.
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Trotz der Urteile war der 39-Jährige, der stets seine Unschuld beteuerte, auf freiem Fuß geblieben. Nachdem er abgetaucht war, wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Lebensgefährtin und der Sohn kamen Tage nach dem Urteil mit dem Zug aus Frankreich nach Italien zurück – ohne ihn. Die Frau behauptete, das Gedächtnis verloren zu haben.
In Haft saß der verurteilte Neffe bis heute keinen einzigen Tag. Auch ein Geständnis legte er nie ab. Im Prozess behauptete er, seinen Onkel geliebt zu haben. Trotzdem kamen die Gerichte übereinstimmend zum Urteil, dass Giacomo B. der Mörder gewesen sein muss. Er habe seinem Onkel gegenüber "hartnäckigen und unbändigen Hass" gehegt, hieß es von Seiten der Justiz, weil dieser aus seiner Sicht hinter dem Rücken der restlichen Familie Geld gescheffelt habe. In seinem Handy hatte er dessen Nummer unter "Arschloch" gespeichert.
Den Leichnam des Ermordeten beförderte der Neffe nach den Ermittlungen sofort nach der Tat mithilfe von zwei Arbeitern in den Ofen. Einer der beiden wurde sechs Tage danach tot in einem Wald gefunden. Er hatte eine Kapsel Zyankali geschluckt – vermutlich Suizid. In seinem Haus entdeckten die Ermittler 5000 Euro in bar, möglicherweise eine Prämie. Gegen den anderen Arbeiter soll nach einem Bericht des Fernsehsenders Rai demnächst Anklage wegen Beihilfe zum Mord erhoben werden.
Abgesehen vom üblichen Interesse an einer solchen Verfolgungsjagd gibt es zunehmend Kritik an den Behörden, weil Giacomo B. die ganze Zeit auf freiem Fuß war und offensichtlich auch niemand auf den naheliegenden Gedanken kam, dass er bei einem endgültigen Urteil den Gang ins Gefängnis vermeiden könnte. Ein anderer Onkel, Andrea Rozzini, sagte dazu knapp: "Er hatte neun Jahre Zeit, das alles vorzubereiten." Die Behörden rechtfertigen sich damit, dass der Verurteilte zu Terminen bislang stets erschienen sei.