Ein Sieg für die Rekordbücher: Lewis Hamilton triumphiert in Silverstone. Ein Spektakel über 52 Runden mit Drama-Faktor - und einem starken Deutschen.
Lewis Hamilton stockte die Stimme, Tränen flossen unter dem Helm, während die britischen Fans unter den 164.000 Zuschauern den Rekordweltmeister nach seiner nächsten beeindruckenden Formel-1-Bestmarke huldigten. Der 39 Jahre alte Superstar feierte bei seinem Heimrennen in Silverstone die triumphale Rückkehr auf Platz eins und drehte mit dem Union Jack die Ehrenrunde nach dem Großen Preis von Großbritannien.
"Das bedeutet mir so viel", stammelte Hamilton noch im Auto. "Wir werden siegen, wir geben nie auf", funkte Teamchef Toto Wolff an den emotionalen Briten, der 945 Tage auf diesen Moment warten musste.
7.7. ein besonders Datum für den siebenmaligen Weltmeister
Seinen bis dahin letzten Sieg hatte Hamilton am 5. Dezember 2021 in Saudi-Arabien gefeiert. Insgesamt war es Karriereerfolg Nummer 104. In Silverstone allein war es sein neunter - so viele Siege auf einem Kurs gelangen bislang keinem anderen Piloten in der Motorsport-Königsklasse.
Welche Last vom künftigen Ferrari-Piloten abfiel, wurde mit jeder Sekunde nach der Siegfahrt am 7.7. für den siebenmaligen Weltmeister deutlich. "Seit 2021 habe ich jeden Tag versucht, in die Spur zu kommen. Es war das letzte Mal der britische Grand Prix mit diesem Team, ich wollte diesen Sieg", sagte Hamilton. Lange umarmte er seinen ebenfalls ergriffenen Vater Anthony, mit der britische Flagge ließ er sich von den Fans und seiner Familie feiern. 2008 hatte er beim Heimspiel zum ersten Mal gewonnen.
Für Max Verstappen blieb beim filmreifen Silverstone-Spektakel nur Platz zwei. Er schob sich dabei in der Schlussphase auch noch an Lando Norris im McLaren vorbei und baute seinen Vorsprung im WM-Klassement auf seinen britischen Kumpel im vorletzten Rennen vor der Sommerpause damit weiter aus. Nun sind es schon 84 Punkte Abstand.
Viel Action nach Einstimmung auf Hollywood-Film
Der 26-Jährige, der eine Woche vorher in Spielberg nach einem Vorfall mit Norris Fünfter geworden war, profitierte allerdings auch von einem Defekt am Mercedes von Österreich-Sieger Georg Russell, für den das actionreiche Rennen im Home of British Motor Racing von der Pole aus vorzeitig zu Ende ging. Einen starken sechsten Platz fuhr Nico Hülkenberg im Haas heraus und bestätigte einmal mehr seine starke Form.
Der Einstimmung mit dem ersten Trailer für den Hollywood-Streifen im kommenden Jahr mit Brad Pitt hätte es eigentlich gar nicht bedurft. Nach dem Zoff von Spielberg zwischen Verstappen und Norris standen bei beide in der Startaufstellung ausgerechnet nebeneinander.
Wie belastbar ist die Freundschaft, wie verlässlich würden die auf einmal einsichtigen Worte von Norris sein, der sich in Österreich noch schrecklich echauffiert hatte, nachdem eine Kollision mit Verstappen ihn zur Aufgabe gezwungen hatte.
Banges Warten auf den Regen
Verstappen machte beim Start kurzen Prozess und schob sich von Startrang vier ziemlich problemlos und ohne große Gegenwehr an Norris vorbei, der in Kurve drei zu weit außen fuhr. Der erste Brite vom Heim-Trio war nun schon wieder hinter ihm. An Hamilton und Russell kam der Niederländer aber erstmal nicht vorbei. Er versuchte es auch zunächst gar nicht.
Alle bangten und warteten, bis der Regen einsetzte. Beim Start schien zwar teilweise sogar die Sonne, die dunklen Wolken waren aber auch nicht fern. Auf teils noch nasser Strecke war Verstappen am Samstag vom Kurs abgekommen und durch das Kiesbett gefahren. Dabei hatte er den Unterboden seines Wagens beschädigt und sich mit dem vierten Startrang zufriedengeben müssen.
Die große Frage: Wann würde der Regen einsetzen und wer hat das beste Timing für den Reifenwechsel. Zunächst schnappte sich Norris noch Verstappen. Und diesmal wehrte sich der Champion überhaupt nicht, auf den Tribünen jubelten und klatschten die britischen Fans, ehe sie Hände brauchten, um die Schirme aufzuspannen und die Regenjacken überzuziehen und auch Oscar Piastri im zweiten McLaren Verstappen noch überholte.
Risiko-Fahrten auf feuchter Strecke
An der Spitze machte Hamilton Druck und überholte Russell nach 18 Runden. Nun wurde es noch lauter auf den Rängen. Es wurde rutschig und kritisch. Norris nutzte die Chance, ging an Russell vorbei und auch noch an Hamilton, von hinten schnappte sich Piastri Russell. Ein Vabanquespiel auf dem feuchten Asphalt. Mit den beiden McLaren auf einmal in Führung. Lieber die Mischreifen, fragte der Kommandostand Hamilton. "Nein, es gibt genug trockene Stellen", antworte er.
Mehr Regen sollte aber noch kommen. Als einer der ersten reagierte Verstappen und holte sich die Mischreifen - das war ziemlich schlau. "Wir sind zurück im Rennen", funkte die Box an Verstappen. McLaren holte Norris rein, ließ Piastri im Regen weiterfahren, Mercedes fertigte beide Autos nacheinander ab - was zumindest Russell einen Rang kostete. Piastri fiel dann nach seinem Stopp sogar auf Platz sechs zurück.
Schlimmer erwischte es Russell. Eine Woche nach seinem Sieg in Österreich und der Pole Position am Samstag musste er seinen Mercedes nach 34 Runden in der Garage abstellen - vermutet wurde ein Problem mit der Kühlung. Dafür ging Hamilton nach einem neuerlichen Reifenwechsel in Führung und ließ sich diese auch nicht mehr nehmen.