Schon vor knapp einem Jahr verweigerte Schiedsrichter Anthony Taylor bei einem vergleichbaren Handspiel einen Elfmeter. Und trieb Star-Trainer Mourinho damit zu einer ungewöhnlichen Aktion. Aus Stuttgart berichtet Julian Buhl Nein, Bundestrainer Julian Nagelsmann fing den englischen Schiedsrichter Anthony Taylor nicht am Parkplatz der Stuttgarter Arena ab. Um ihn dort nach dem bitteren Viertelfinalaus (1:2 n.V.) der deutschen Nationalelf gegen Spanien und dem in der 106. Minute verweigerten Handelfmeter noch einmal zur Rede zu stellen. Genau das hatte José Mourinho vor knapp einem Jahr getan. Der portugiesische Star-Coach fühlte sich damals – ähnlich wie Nagelsmann am Dienstagabend – um den Sieg betrogen. Im Finale der Europa League hatte Taylor der damals von Mourinho betreuten AS Rom nach einem vergleichbaren Handspiel ebenfalls keinen Strafstoß zugesprochen. Mourinho, der das Endspiel mit seiner Mannschaft dann mit 1:4 (1:1) im Elfmeterschießen gegen Sevilla verlor, lauerte anschließend am Auto des Offiziellen, um ihm zum Abschied noch zuzurufen: "Es ist eine verdammte Schande!" Wagner stürmt in Schiedsrichterkabine An seinem abfahrbereiten Auto in Stuttgart blieb Taylor, der seiner Linie mit der harten Entscheidung gegen Deutschland nun gewissermaßen treu blieb, dieses Mal zwar unbehelligt. Allerdings stattete ihm Nagelsmanns Co-Trainer Sandro Wagner laut "Bild" zuvor noch einen Besuch in der Schiedsrichterkabine ab, der dort lautstark auf ihn eingeredet haben soll. Dass die Pfeife von Anthony Taylor in der 106. Minute stumm blieb, obwohl Jamal Musiala den Ball unzweifelhaft an die Hand des im eigenen Strafraum stehenden Spaniers Marc Cucurella geschossen hatte, erzürnte aber nicht nur Wagner, sondern die gesamte Fußballnation. "Der Schiedsrichter hat auch ein bisschen für Spanien gepfiffen", schimpfte auch Nagelsmann bei MagentaTV: "Wenn Jamal Musiala den Ball in die Stuttgarter Innenstadt schießt und Cucurella berührt ihn, würde ich nie einen Elfmeter haben wollen." Der Ball komme aber "aufs Tor und er stoppt ihn klar mit der Hand". Fakt ist: Der Video-Schiedsrichter griff nicht ein. Offen blieb damit auch, ob Niclas Füllkrug oder Florian Wirtz in der Szene womöglich im Abseits standen. Nicht nur die österreichische Kronen-Zeitung fragte dennoch, ob Deutschland "ein Elfmeter gestohlen" worden sei. Müller: "Die Handregel ist ein ganz verzwicktes Luder" Ob das nun der Fall war oder nicht, darüber stritten selbst die Schiedsrichter und Experten sowohl mit- als auch untereinander. Bundesliga-Referee Patrick Ittrich lieferte sich deshalb bei Magenta TV ein hitziges Wortgefecht mit Ex-Nationalelf-Kapitän Michael Ballack ("Ein klareres Handspiel gibt es nicht"). Dem widersprach Stefan Effenberg in seiner t-online-Kolumne, in der er schrieb: "Die Aktion von Spaniens Marc Cucurella war für mich kein Handspiel. Da gibt es keine Diskussion." Ex-Referee Manuel Gräfe hatte ein "strafbares" Handspiel gesehen. Der frühere deutsche Top-Referee Markus Merk urteilte ebenso, die ehemalige Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb konnte die Entscheidung Taylors dagegen nachvollziehen. Nationalstürmer Füllkrug empfand es als "schwer zu akzeptieren", dass der Videoschiedsrichter nicht eingegriffen habe und Taylor sich die Szene nicht selbst noch einmal angesehen habe. Thomas Müller fasste die Debatte in der Mixed Zone auf seine Art zusammen und sagte: "Die Handregel ist ein ganz verzwicktes Luder." Dem sind nun auch er, Nagelsmann und die Nationalelf zum Opfer wurden. Mourinho weiß ganz genau, wie sich das anfühlt.