Ein Kompromiss, aber kein Ende des Ampel-Streits: Nach der Einigung der Bundesregierung auf einen Staatshaushalt für das kommende Jahr reißt die Debatte um Änderungen am Etatplan im parlamentarischen Verfahren nicht ab. Aus der SPD kamen am Samstag erneut Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse, die FDP lehnt dies ab. Für Diskussionen sorgt auch der geplante Verteidigungsetat, der kleiner ausfallen soll als von Minister Boris Pistorius (SPD) gefordert.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten am Freitag einen Durchbruch in ihren wochenlangen Verhandlungen über den Haushalt 2025 und ein Wachstumspaket erzielt. FDP-Chef Lindner konnte dabei durchsetzen, dass die Schuldenbremse weiter eingehalten wird, deren erneute Aussetzung die SPD gefordert hatte.
FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr wies nun neuerliche Forderungen aus der SPD nach einem Aussetzen der Schuldenbremse in den parlamentarischen Etatberatungen zurück. "Ein Schleifen der Schuldenbremse wird es mit uns auch im parlamentarischen Verfahren nicht geben", sagte Dürr dem Nachrichtenportal t-online. "Wir machen weder bei einer so genannten Reform mit, wie sie sich viele in CDU und CSU wünschen, noch wird es einen Notlagenbeschluss geben."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich trotz der Einigung auf ein Einhalten der Schuldenbremse die Möglichkeit eines Notlagenbeschlusses vorbehalten. Dieser ist bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen möglich. Mützenich verwies darauf, es seien "eine Menge Kunstgriffe nötig" gewesen, um die Milliardenlücke im Bundeshaushalt 2025 zu schließen - und will nun prüfen, ob diese Finanzierung auch wirklich tragfähig ist.
Juso-Chef Philipp Türmer nannte eine Aussetzung der Schuldenbremse die "nachhaltigere Option". "700 Milliarden Euro werden in den nächsten Jahren notwendig sein, das ist unter dem Regime der Schuldenbremse nicht zu erreichen", sagte Türmer dem Portal web.de News. Er plädierte letztlich für eine Abschaffung: Die Schuldenbremse gehöre "aus dem Grundgesetz gestrichen".
Ein Teil der Milliardenlücke im Haushalt soll zulasten des Wehretats gefüllt werden. Dieser liegt derzeit bei knapp 52 Milliarden Euro und soll dem Vernehmen nach nur um gut eine Milliarde Euro steigen. Gefordert hatte Pistorius gut sechs Milliarden Euro mehr.
Dies stößt auf Kritik in der SPD-Fraktion. "Es ist nun die Aufgabe im parlamentarischen Verfahren, den Vorschlag der Bundesregierung zu optimieren, um der Truppe, Bündnispartnern und der Industrie zu zeigen, dass man sich weiterhin auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Zieles verlassen kann", sagte SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz der "Rheinischen Post" mit Verweis auf die Vorgabe der Nato, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.
Auch die Union hätte sich höhere Wehrausgaben gewünscht. Von der "Priorität Sicherheit" sei "nichts zu erkennen", beklagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in der "Wirtschaftswoche".
Finanzminister Lindner verteidigte die Pläne. "Der Verteidigungsminister bekommt mehr Geld als im Haushalt davor, aber er bekommt weniger Geld, als er auch öffentlich gefordert hat. Das ist der ganz normale Haushaltsprozess", sagte Lindner der "Bild"-Zeitung. Ein Minister fordere "natürlich das Maximum." Die Aufgabe Lindners und der Regierung sei dann, "zu prüfen, was wünschenswert und was wirklich notwendig ist".
Ungeachtet der nicht endenden Diskussionen sieht SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die Koalition nach der Einigung gestärkt. Von der Union erhoffte Neuwahlszenarien werde es "nicht geben", sagte er im WDR. Die Vereinbarung sei "ziemlich brauchbar" und werde anders als von CDU-Chef Friedrich Merz vorhergesagt nicht zu neuem Streit zwischen SPD, Grünen und FDP sorgen. "Diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun."
Merz hielt trotz der Einigung ein Scheitern der Koalition weiterhin für möglich. "Es kann sein, dass wir auch kurzfristig nach Berlin kommen müssen", sagte der Unionsfraktionschef der "Rheinischen Post". "Denn die Ampel-Koalition ist nicht so stabil, dass sie sicher über den Sommer durchhält."