Nach dem 1:2 der deutschen Mannschaft gegen Spanien wird eine Szene zum Aufreger des Spiels. Zu Unrecht, meint t-online-Kolumnist Stefan Effenberg – und erklärt, warum. Da muss man erst einmal durchschnaufen und Luft holen. Was für ein Spiel – und was für ein Erlebnis. Ich habe das deutsche Viertelfinale gegen Spanien mit Freunden aus Ungarn, aus der Türkei und aus Kroatien angeschaut – die haben bei der deutschen Niederlage so gelitten, das habe ich noch nicht gesehen. Und tatsächlich: Es tut weh. Es tut einfach weh. Wenn ich jetzt einen Toni Kroos oder einen Thomas Müller sehe, bei denen die Nationalmannschaftskarriere beendet ist oder sein könnte – es tut wirklich weh. Sie haben alles gegeben. Gegen die beste Mannschaft des Turniers haben sie unfassbar viel investiert – "raus mit Applaus", wie es heißt. Und das ist ein hundertprozentiger Unterschied zu den vergangenen Turnieren, an die ich aus deutscher Sicht nicht noch einmal extra erinnern möchte. Gerade im Vergleich zu den letzten Welt- und Europameisterschaften war das jetzt trotz des Ausscheidens im Viertelfinale großartig. Natürlich war die Niederlage maximal unglücklich. Verdient ist der Sieg der Spanier nämlich nicht, das muss man auch sagen. Denn wir waren nicht die Schlechteren. Wir hatten auch ohne Elfmeter unsere Chancen Jetzt gibt es eine große Diskussion um den vermeintlichen Handelfmeter, den die DFB-Elf nicht bekommen habe, und wieviel Pech das doch sei – ich erinnere aber auch an Glück für Deutschland: Kroos hätte für sein Foul gegen Pedri schon nach vier Minuten die Gelbe Karte sehen müssen. Zwei Minuten später kam er erneut zu spät, hielt nochmals den Fuß drauf – das wäre Gelb-Rot gewesen. Ich sage auch: Die Aktion von Spaniens Marc Cucurella war für mich kein Handspiel. Da gibt es keine Diskussion. Cucurellas Hand bewegt sich nicht vom Körper weg, sondern zum Körper hin, er zieht den Arm weg – das ist ein großer Unterschied, und das gibt für mich den Ausschlag, hier nicht auf Elfmeter zu entscheiden. Schiedsrichter Anthony Taylor hat weiterspielen lassen, das war absolut in Ordnung. Taylor hat mich ohnehin beeindruckt – denn er hat seine Entscheidungen auf dem Platz aus voller Überzeugung getroffen, ohne den VAR. Das war vielleicht die beste Schiedsrichterleistung im ganzen Turnier. An Cucurellas vermeintlichem Handspiel hat schließlich es nicht gelegen. Denn: Wir hatten auch ohne Elfmeter unsere Chancen. Ich hätte von der Mannschaft von Luis de la Fuente mehr Dominanz erwartet, aber das haben die Deutschen eben nicht zugelassen, da haben sie sehr viel richtig gemacht. Nach einer Viertelstunde waren wir im Spiel, haben auch immer wieder die Kontrolle übernommen. Gegen Spanier, denen man den Respekt vor uns angemerkt hat. Durch das Tor von Florian Wirtz kamen wir zurück, mit seinem Tor hat er ganz Deutschland zum Beben gebracht. Niclas Füllkrug hatte noch die Kopfballchance, auch Kai Havertz kam zu Gelegenheiten. Und am Ende war es eine Unachtsamkeit, die den Ausschlag gegeben hat. Es hat nicht die bessere Mannschaft gewonnen, sondern die glücklichere. Es wird jetzt Veränderungen geben Was bleibt jetzt? Wenn ich zurückdenke an das Achtelfinale gegen Dänemark, muss ich klar sagen: Wenn du da ausscheidest, hinterlässt das einen ganz faden Beigeschmack. Jetzt aber, nach diesem mitreißenden Spiel, muss das Fazit lauten: Es war eine gelungene EM – wenn auch kein "Sommermärchen 2.0", was ohnehin nicht möglich war. Jetzt dauert es wieder zwei Jahre bis zum nächsten Turnier. Es wird Veränderungen geben. Was ist mit Manuel Neuer ? Was ist mit Thomas Müller? Ich bin auch ein großer Freund davon, der Jugend vermehrt eine Chance zu geben, um dann mit großer Vorfreude in die Quali zum nächsten Turnier zu gehen. Denn ich bin mir sicher: Mit dieser EM und besonders mit diesem Spiel hat die deutsche Mannschaft unsere Herzen, die sie durch die vergangenen Turniere verloren haben, zurückgewonnen. Und das wird bleiben.