Die Menschen im Iran haben am Freitag in einer Stichwahl einen neuen Präsidenten gewählt. Das geistliche Oberhaupt der islamischen Republik, Ayatollah Ali Chamenei, gab am Morgen bei Öffnung der Wahllokale seine Stimme in Teheran ab. Zur Wahl standen der Reform-Kandidat Massud Peseschkian und der Hardliner Said Dschalili. Die Ergebnisse sollten am späten Samstagvormittag bekannt gegeben werden.
Peseschkian und Dschalili kandidierten für die Nachfolge des am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz tödlich verunglückten Amtsinhabers Ebrahim Raisi. Den Wählerinnen und Wählern stünden im In- und Ausland insgesamt 58.638 Wahllokale zur Verfügung, zitierte das Staatsfernsehen Innenminister Ahmed Wahidi. Vor Wahllokalen in Sawe im Zentrum des Iran und Kerman im Süden waren im Staatsfernsehen lange Schlangen zu sehen. In der Hauptstadt Teheran waren die Wahllokale weniger stark besucht, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Bei der ersten Runde am vergangenen Freitag war Peseschkian nach offiziellen Angaben auf 42,4 Prozent der Stimmen gekommen, Dschalili landete mit 38,6 Prozent auf Platz zwei. Insgesamt 61 Millionen Bürger waren zur Wahl aufgerufen, in der ersten Runde hatte die Wahlbeteiligung bei lediglich 40 Prozent gelegen - dem niedrigsten Wert seit der islamischen Revolution im Jahr 1979. Chamenei hatte daher zur regen Teilnahme an der zweiten Runde aufgerufen.
"Ich habe gehört, dass die Begeisterung und das Interesse der Menschen größer sind als vorher", sagte Chamenei nach seiner Stimmabgabe am Freitag. "Wenn dem so ist, wäre das sehr erfreulich", fügte er hinzu. In der Opposition im Iran sowie in der Diaspora war zum Boykott der Wahl aufgerufen worden, da Reform- und konservative Kandidaten nur zwei Seiten derselben Medaille seien.
Während Dschalili das Vertrauen Chameneis besitzt und von Hardlinern und den anderen ultrakonservativen Kandidaten unterstützt wird, die aus dem Rennen ausgeschieden sind oder ihre Kandidatur zurückgezogen haben, haben sich die beiden ehemaligen reformorientierten Präsidenten Mohammed Chatami und Hassan Ruhani hinter Peseschkian gestellt.
Chatami rief die Wähler bei der Stimmabgabe am Freitag auf, "für die Zukunft und das Wohl des Landes" zu stimmen. Unter Chatami war der 69-jährige Herzchirurg Peseschkian von 2001 und 2005 Gesundheitsminister gewesen. Seit 2008 sitzt Peseschkian für die nördliche Stadt Täbris im Parlament.
Peseschkian setzt sich dafür ein, dem Westen offener gegenüber zu treten. Er bekräftigt zwar seine Loyalität zum Iran, hat aber zu "konstruktiven Beziehungen" mit den USA und den europäischen Ländern aufgerufen, um "den Iran aus seiner Isolation zu holen". Der 69-Jährige gab seine Stimme in einer Schule westlich von Teheran ab - dabei wurde er vom früheren Außenminister Mohammed Dschawad Sarif begleitet. Sarif war einst am Zustandekommen das Atomabkommens von 2015 beteiligt.
Der Reformer hatte auch die Regierung Raisi für einen Mangel an Transparenz während der landesweiten Proteste kritisiert, die im September 2022 durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam ausgelöst worden waren. Die 22 Jahre alte iranische Kurdin war wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die strenge Kleiderordnung für Frauen im Iran festgenommen worden.
Der 58-jährige Dschalili hingegen tritt für eine harte Haltung gegenüber dem Westen ein. Der frühere Atom-Chef-Unterhändler des Iran hatte schon eine ganze Reihe ranghoher Positionen inne. Zur Zeit ist Dschalili einer der von Chamenei entsandten Vertreter im Obersten Rat für nationale Sicherheit, dem höchsten sicherheitspolitischen Gremium des Landes. Dschalili wählte in der zweiten Runde in einer Moschee in der Stadt Kartschak südlich Teherans.
An einem Wahllokal in Teheran sagte der 40-jährige Hossein, dass er für Peseschkian gestimmt habe, weil er glaube, dass dieser Veränderungen bewirken könne. "Während seines Wahlkampfes hatte ich den Eindruck, dass er die entscheidenden Fragen ehrlich anspricht", sagte Hossein. Die 19-jährige Melika Moghtadaie sprach sich hingegen für Dschalili aus. Sie hoffe, dass er helfen könne, die Wirtschaft zu verbessern, "so wie wir es erwarten", sagte die Studentin.
Unabhängig vom Ausgang der Wahl dürften sich die Auswirkungen auf die politische Realität im Land in Grenzen halten. Die politische Macht liegt im Iran seit der Revolution 1979 beim geistlichen Oberhaupt des Landes. Dem Präsidenten hingegen obliegt die Ausführung der vom geistlichen Oberhaupt festgelegten politischen Leitlinien.