Viele Menschen haben am Wochenende in Essen der AfD die rote Karte gezeigt und für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft demonstriert. Leider blieb der Protest nicht in jedem Fall friedlich.
Bunter Protest, aber auch aggressive Attacken und der Biss eines AfD-Delegierten in eine Demonstranten-Wade: Mehrere Zehntausend Menschen haben am Wochenende in Essen gegen die AfD demonstriert - zumeist friedlich. Anlass der Proteste war ein zweitägiger Bundesparteitag der Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird.
Überschattet wurden die Proteste von Zusammenstößen zwischen Polizei und gewaltbereiten Demonstranten am Samstag. 28 Beamtinnen und Beamte wurden dabei verletzt, einer von ihnen schwer. Ihm hatte ein Unbekannter unter anderem gegen den Kopf getreten, als er am Boden lag.
Auch Demonstranten erlitten Verletzungen, etwa durch Pfefferspray. Die Anzahl der verletzten Protestierer wurde zunächst nicht bekannt. Mehrere Vertreter der Aktivisten kritisierten die Polizei für zu hartes Vorgehen.
Mehrere Demonstranten kamen in Gewahrsam, der bei einigen auch am Sonntag noch andauerte. Ermittelt wird laut Polizei unter anderem wegen Landfriedensbruch, tätlichen Angriffen und Sachbeschädigung. Genaue Fallzahlen wurden zunächst nicht bekannt.
Mehrere tausend Aktivisten hatten am Samstagmorgen versucht, durch Straßenblockaden die Delegierten an der Anreise zum Veranstaltungsort Grugahalle zu hindern. Immer wieder kam es dabei zu handfesten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehrfach setzten die Beamten Schlagstöcke und Pfefferspray ein - zum Beispiel um Protestierende am Durchbrechen von Absperrungen zu hindern. Einige Delegierte wurden unter massivem Polizeischutz zu Fuß in die Grugahalle geleitet, bedrängt von Demonstrierenden. Der Parteitag begann rund eine halbe Stunde später als geplant. Am Sonntag konnten die Delegierten die Grugahalle hingegen unbehelligt erreichen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) verurteilte die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten. "Diese Frauen und Männer stehen da für unsere Demokratie. Sie halten ihren Kopf hin für Sicherheit und Ordnung. Sie schützen die Freiheiten und Rechte der Bürger - und zwar aller Bürger", stellte er klar. "Was da auf dem Parteitag gesprochen wird, verurteile auch ich. Aber er darf stattfinden. Das ist Demokratie", sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur.
Die Organisatoren der Blockadeaktionen am Samstagmorgen nannten eine Teilnehmendenzahl von 7000 aus 80 Städten. "Sie haben sich selbst im solidarischen Miteinander ermächtigt und mit ihrer Entschlossenheit und der legitimen Protestform des zivilen Ungehorsams gezeigt, dass sie unsere Demokratie schützen und verteidigen werden", erklärte Katharina Schwabedissen von der Blockade-Aktion "widersetzen" am Sonntag. Schwabedissen beklagte, dass auch am Sonntag noch Demonstranten im Gewahrsam seien.
Bei der Anreise am Samstag kam es zu einem kuriosen Vorfall: Der AfD-Delegierte Stefan Hrdy (67) biss einem Demonstranten bei einem Gerangel in die Wade - nach eigener Darstellung aus Notwehr. Ob der Gebissene Anzeige erstattet hat, war zunächst unklar. Die Ermittlungen dauerten an, erklärte die Polizei. Auch Hrdy wollte Anzeige erstatten.
An einem großen Demonstrationszug des gemäßigten Lagers durch die Stadt beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren der Initiative "Gemeinsam Laut" am Samstag rund 50 000 Menschen. Sie demonstrierten gegen Intoleranz und Rechtsextremismus. Viele hatten bunte Plakate gebastelt. Der Zug mündete in eine Kundgebung mit anschließendem Musikprogramm auf einem großen Platz in der Nähe der Grugahalle. Insgesamt zählte die Polizei 31 Gegendemonstrationen und -veranstaltungen am Samstag.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begrüßte die Proteste: "Die vielen tausenden Demonstranten in Essen zeigen: In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für Hetze, Hass und Rechtsextremismus", sagte er laut Staatskanzlei. "Es ist ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft für unsere Demokratie, dass so viele Menschen gegen Antidemokraten auf die Straße gehen."
Aus Sorge vor einer Störung des Parteitags war die Polizei das ganze Wochenende mit einigen Tausend Polizisten aus mehreren Bundesländern präsent. Mehrere Wasserwerfer standen in Bereitschaft. Linksextremisten hatten zuvor mit gewaltsamen Aktionen gegen die AfD-Veranstaltung gedroht.
Für Sonntag waren noch drei Anti-AfD-Versammlungen angemeldet, darunter eine Mahnwache in Sichtweite der Grugahalle. Rund 150 Menschen kamen dort am Vormittag zusammen. Veranstalter war das Bündnis Essen stellt sich quer.
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