Die Soziologin Jutta Allmendinger fordert flexible Modelle für den Übergang in die Rente. Ihr Vorschlag: eine individuelle Anpassung des Rentenbeginns an verschiedene Lebensmodelle. Wenige Debatten werden so emotional geführt wie die um die Rente . Im Speziellen: um die Frage, in welchem Alter die Deutschen in Rente gehen sollten. Nun gibt es einen neuen Vorschlag, der noch einmal die Diskussion anheizen könnte. So hat sich die Soziologin Jutta Allmendinger für einen weicheren Übergang in die Rente ausgesprochen. Allmendinger kennt die Materie nicht nur aus beruflicher Sicht: So ist sie seit 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Auch der private Blick interessiert sie. Denn sie muss selbst dieses Jahr in den Ruhestand treten, weil sie die Altersgrenze von 68 Jahren für Professoren erreicht. Die Expertin kündigte aber bereits an, weiterzuarbeiten. Zum Juli dieses Jahres will sie den Vorsitz der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen übernehmen, auch bleibt Allmendinger Honorarprofessorin für Soziologie an der Uni Wien. Expertin kritisiert: "Nicht mehr zeitgemäß" "Das ist nicht mehr zeitgemäß", zitierte die "Welt" sie. Was Allmendinger damit meint: einen allzu starren Rentenbeginn. Stattdessen plädiert sie für ein flexibles Renteneintrittsalter , um den unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht zu werden. Derzeit rangiert das reguläre Renteneintrittsalter in Deutschland bei 67 Jahren. Es gilt für Arbeitnehmer, die nach 1964 geboren wurden. Jahrgänge davor können früher in Rente gehen. So gilt für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, noch die Rente mit 65 Jahren. Altersvorsorge: Wann Sie in Rente gehen können "Wir müssen Lebensverläufe neu denken", erklärt indes Allmendinger. Es brauche "hybride Phasen". Damit sind Kombinationen von Weiterbildung und Erwerbsarbeit gemeint, aber auch ein Mix aus Rente und Beruf oder aus Sorge- und Erwerbsarbeit. Der Gedanke dahinter: Teilen sich Frauen und Männer die Kindererziehung und die Pflege von Älteren in der Familie gleichmäßiger auf, ändern sich auch ihre Biografien. "In manchen Phasen des Lebens sind wir mehr, in anderen weniger erwerbstätig", sagt Allmendinger weiter. Die Expertin geht derweil von einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 33 Stunden in der Woche aus, zumindest wenn man es über das gesamte Leben rechnet. Flexible Modelle gefordert Nach Überzeugung von Allmendinger kann Arbeit im Alter gar gesund sein, "Silver Worker" nennt man dieses Phänomen. "Wer noch eingebettet ist, ist weniger einsam", sagt die Soziologin. Die "Welt" zitiert aus einer Studie, die unter der Ägide von Allmendinger entstanden ist. "Menschen empfinden Arbeit als einen Anker des Lebens, der einen täglichen oder wöchentlichen Rhythmus vorgibt, Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen oder auch der Kundschaft ermöglicht und dem Leben einen zusätzlichen Sinn gibt", heißt es. Und weiter: "Dies durch Anreize zur Frühverrentung oder gar ein starres verpflichtendes Renteneintrittsalter wie im öffentlichen Dienst zu konterkarieren, ist aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ein Fehler." Kritiker sehen derweil die Gefahr, dass nicht alle Berufsgruppen gleichmäßig von einer solchen Regel profitieren könnten. Besonders für körperlich belastende Berufe brauche es demnach andere Lösungen als für Menschen in Berufen mit geringerer physischer Beanspruchung – da die statistische Lebenserwartung bei Menschen in stark belastenden Berufen geringer ist. Zudem gebe es "keine belastbare Evidenz, dass Menschen durch mehr Flexibilität länger arbeiten", heißt es in einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2022. "Studien sprechen eher dafür, dass ein flexibles Renteneintrittsalter vor der Regelaltersgrenze die Beschäftigung reduziert." Politische Diskussion um Rentenalter Ein weiteres Argument für ein flexibles Renteneintrittsalter ist die demografische Entwicklung. Angesichts einer alternden Bevölkerung muss länger gearbeitet werden, um die Rentensysteme zu stützen. Das aber wird schnell zum Politikum. So setzt sich die FDP schon länger für ein flexibleres Renteneintrittsalter ein. Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert etwa mehr Anreize, um länger arbeiten zu gehen. Besonders die SPD ist dagegen. Auch heute schon können Arbeitnehmer über das herkömmliche Rentenalter hinaus weiter arbeiten gehen und Beiträge zahlen. In diesem Fall erhalten sie einen Zuschlag auf ihre Rente, der bei 0,5 Prozent liegt. Pro Monat, der länger gearbeitet wird. Bei einem Jahr länger arbeiten würde das folglich sechs Prozent ergeben.