Den Sieg gegen Serbien hat England vor allem einem zu verdanken: Jude Bellingham. Der Real-Profi hat sich am Sonntagabend endgültig zum Weltstar aufgeschwungen – und könnte auf dem Weg zum Titelgewinn der entscheidende Faktor sein. Aus Gelsenkirchen berichtet William Laing Die Pflichtaufgabe ist erfüllt: Die englische Nationalmannschaft startet mit einem glanzlosen 1:0-Sieg gegen Serbien in die Europameisterschaft . Wirklich mit Ruhm bekleckert haben sich die "Three Lions" am Sonntagabend in Gelsenkirchen aber nicht. Doch das brauchten sie auch gar nicht, hatten sie doch in Jude Bellingham den mit Abstand besten Spieler auf dem Feld in ihren Reihen, der die Partie letzten Endes mit seinem Tor in der 13. Minute auch entschied. Dass der gerade einmal 20-jährige Mittelfeldakteur ein Ausnahmekönner ist, war schon vor der Partie kein Geheimnis. Doch was beeindruckte, war, wie Bellingham in jungen Jahren im mit erfahrenen Stars gespickten Team der Engländer mit einer Selbstverständlichkeit eine Führungsrolle einnahm, dass es mit der Bezeichnung "Ausnahmekönner" einfach nicht mehr getan scheint. Seit seinem Abgang aus Dortmund im vergangenen Sommer ist Bellingham, so wirkt es zumindest, nochmal um ein Vielfaches gereift. Seine überragende Saison bei Real Madrid bestätigte das bereits. Doch nun überträgt er diese Leistungen offenbar auch noch in letzter Konsequenz auf die Nationalmannschaft – was sogar den Gegner ins Schwärmen bringt. Serben-Star begeistert: "Das ist unglaublich zu sehen" Serbiens Routinier Dušan Tadić wurde nach der Niederlage seiner Mannschaft in der Mixed Zone der Schalker Arena nämlich auf Bellinghams Leistung im ersten EM-Spiel angesprochen. Auf die Frage, ob dieser heute den Unterschied gemacht hätte, antwortete der 35-Jährige: "Ja, definitiv." Dann sprach er in höchsten Tönen von seinem Gegner: "Er ist ein großartiger Spieler, hat eine tolle Persönlichkeit. Er hat alles, um den nächsten goldenen Ball zu gewinnen." Eine Anspielung auf die begehrteste Trophäe, die ein Profi als Einzelauszeichnung erlangen kann: den Ballon d'Or, also die Wahl zum Weltfußballer. Dass Tadić Bellingham diese Ehrung zutraut, spricht Bände – und verdeutlicht, was für ein unglaubliches Standing der England-Profi auf der internationalen Bühne bereits genießt. So kam Tadić in der Folge auch nicht umhin, seinen Gegenspieler weiter mit Lob zu überschütten. Bellingham habe "England auf das nächste Level gehoben", betonte der Serbe. Begeistert zeigte er sich auch davon, wie viel Verantwortung der Real-Star bereits übernehme. "Das", so Tadić, "ist unglaublich zu sehen." Mitspieler lobt Bellingham als "großen Anführer" Verantwortung übernehmen: Das ist allem Anschein nach zu einem zentralen Element in der Karriere Bellinghams geworden. Kaum verwunderlich, streifte er sich doch bereits zu Dortmunder Zeiten hin und wieder sogar die Kapitänsbinde über, als Marco Reus und Mats Hummels nicht zur Verfügung standen oder ausgewechselt wurden. Nun schauen sie aber nicht mehr beim BVB zu Jude Bellingham auf, sondern in England, also in einer ganzen Nation, und da vor allem in der Nationalelf. Hier hat er sich als fester Bestandteil etabliert. Er ist nicht mehr nur das junge, überaus vielversprechende Talent, er ist für seine Mannschaft und sein Land die Gegenwart und die Zukunft in einer Person. So bezeichnete sein Teamkollege Jarrod Bowen nach der Partie auf Nachfrage von t-online Bellingham gar als "großen Anführer" und lobte dann noch eine individuelle Qualität seines Mitspielers, die wohl auch nicht zu einfach zu lernen sein dürfte. Zu Bellinghams Siegtor gegen Serbien sagte Bowen schlicht: "Er war wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort." Kapitän Harry Kane lobte: "Er ist einfach ein unglaublicher Spieler." Mit Bellingham: Beendet England die 58-jährige Durststrecke? Wie Bellingham es auf dem Feld schafft, immer dort zu sein, wo er gebraucht wird, scheint derweil eine Philosophie für sich zu sein. Fakt ist aber, dass er zu Dortmunder Zeiten deutlicher defensiver eingesetzt wurde. In Madrid hat sich Bellingham wiederum zu einer eiskalten Offensivkraft auf der Postion hinter den Spitzen entwickelt. Dass die englische Elf davon profitiert, wurde durch seinen Treffer gegen Serbien nochmal deutlich. Denn die Situation nach einem abgefälschten Flankenball hatte Bellingham geistesgegenwärtig erkannt, sich robust gegen seinen Gegenspieler Andrija Živković durchgesetzt und die Kugel wuchtig zur Führung in die Maschen geköpft. "Ich habe das Gefühl, dass ich Spiele entscheiden kann", sagte Bellingham anschließend. Auch auf diese Stärke werden die Engländer im weiteren Turnierverlauf weiter bauen, wenn es für sie darum geht, das eigene Trauma endlich zu überwinden. Seit dem WM-Titel 1966 hat England, das Mutterland des Fußballs, kein großes Turnier mehr gewonnen. Das soll sich 58 Jahre nach dem denkwürdigen Wembley-Sieg gegen Deutschland endlich ändern. Die Voraussetzungen dafür scheinen grundsätzlich gegeben. Das Team hat mit Serbien die erste Hürde auf dem Weg zum EM-Titel überwunden. Der in erster Linie offensiv qualitativ hochwertige Kader ist zudem auch in der Breite überdurchschnittlich stark bestückt – und dann ist Teil dieses Aufgebots eben Jude Bellingham, der schon jetzt wie der König von Europa auftritt und sich tatsächlich mit England in wenigen Wochen zum Europameister krönen könnte. Es wäre der nächste Höhepunkt einer schon jetzt außergewöhnlichen Karriere. Bellinghams Weltklasse ist aber schon nicht mehr zu leugnen.