Rund 1500 Kinder mit ausländischen Wurzeln können derzeit in Sachsen nicht zur Schule gehen, weil dort Platzmangel herrscht. Das ruft neben Parteien nun Verbände und die Gewerkschaft GEW auf den Plan.
Das Bündnis "Recht auf Schule für alle" hat ausreichend Plätze für Kinder aus Flüchtlingsfamilien in den sächsischen Schulen eingefordert. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer und Kultusminister Christian Piwarz (beide CDU) wird darauf verwiesen, dass derzeit rund 1500 betroffene Kinder und Jugendliche auf einen Platz warteten, was gegen die Schulpflicht verstoße und das Grundrecht auf Bildung verletze. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht von einer noch höheren Zahl aus.
"Schulische Bildung ist ein Menschenrecht und gilt für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrem Pass. Der Freistaat Sachsen verletzt dieses Recht der Betroffenen mit gravierenden Folgen. Diese Kinder und Jugendlichen verlieren unnötig wertvolle Zeit, die sie später nur schwer oder gar nicht aufholen können", erklärte die stellvertretende GEW-Chefin Claudia Maaß. Auch das Erlernen der deutschen Sprache als Grundvoraussetzung für Schule, Integration und gesellschaftliche Teilhabe werde verzögert.
Der Ausländerrat Dresden nannte weitere Folgen. "Soziale Isolation und der Mangel an sinnstiftender Beschäftigung wirken sich auf die psychische Gesundheit der betroffenen jungen Menschen aus. Die Zunahme von Depressionen, Perspektivlosigkeit und auch Kindeswohlgefährdungen sind Folgen, die unser Bündnis überall in Sachsen wahrnimmt", stellte Geschäftsführerin Olga Sperling fest. Das Bündnis "Recht auf Schule für alle" ist ein Zusammenschluss von mehr als 30 Organisationen, Vereinen und Beauftragten.
Die Freien Wähler (FW) in Sachsen hatten die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen am Montag öffentlich gemacht, nachdem ein fraktionsloser Abgeordneter im Sächsischen Landtag eine Kleine Anfrage zur Situation in den Schulen gestellt hatte. Die Partei warnte vor einem Kollaps im Bildungswesen und nannte als Grund auch den Personalmangel. Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln ins Schulsystem sei nicht mehr gewährleistet.
Kultusminister Piwarz hatte wiederholt auf die angespannte Situation aufmerksam gemacht. Schon Ende 2023 Jahres sah er die Schulen wegen der hohen Zahl von Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien an der Belastungsgrenze angelangt. Integrationsarbeit in einer Klasse könne nur bis zu einem Anteil von etwa 30 Prozent an Schülern mit Migrationshintergrund geleistet werden, sagte er. Die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die aus anderen Ländern stammten, habe sich in weniger als zehn Jahren verdreifacht.
Das Bündnis "Recht auf Schule für alle" kritisierte einen "Sündenbockmechanismus", Kinder und Jugendliche nichtdeutscher Herkunft zur Ursache des sächsischen "Bildungsnotstandes" zu erklären. "Wir befinden uns nicht mehr im Sommer 2015. Sachsen hat es schlicht versäumt, das System Schule zu einer Institution der Migrationsgesellschaft weiterzuentwickeln. Es braucht konzeptionell, personell und materiell eine Ausstattung, die sich schnellstmöglich den heutigen Anforderungen anpasst", hieß es vom Flüchtlingsrat.