Lachgas ist legal, günstig, leicht erhältlich – und löst beim Inhalieren Glücksgefühle aus. Unter Jugendlichen wird das Gas als Rauschmittel immer beliebter. Die CDU fordert nun im Bundestag ein Verkaufsverbot. Wie Lachgas wirkt und was den Konsum gefährlich macht.
Zwischen den blinkenden Lichtern, Junggesellenabschieden, Touristinnen und Touristen gibt es auf St. Pauli in Hamburg ein neues Bild: Jugendliche inhalieren den Inhalt schwarzer Luftballons. Sie sind mit Lachgas gefüllt. Der Konsum ist einfach und günstig: Man füllt einen Luftballon mit Gas aus einer Kartusche und atmet das Gas aus dem Ballon ein. Binnen Sekunden setzt die Wirkung ein und User fühlen sich entspannt und euphorisch. Besonders beliebt ist das Gas bei Jugendlichen. Leichte Halluzinationen, Highs, intensivere Glücksgefühle und Kicheranfälle – so wird das Gefühl von Userinnen und Usern beschrieben. Wenige Minuten später ist alles vorbei. Ein scheinbar harmloser Rausch. Die Kartuschen mit dem Gas gibt es in verscheiden Geschmacksrichtungen wie Erdbeere. Sie werden an Kiosken oder in Automaten verkauft – ganz legal. Doch der Konsum von Lachgas als Rauschmittel birgt teils schwerwiegende gesundheitliche Risiken.
Lachgas wird für den vermeintlich ungefährlichen Kick auf Schulöfen oder Partys bei Jugendlichen immer beliebter, doch das lässt bei Politikern, Eltern und Expertinnen den Ruf nach Konsequenzen laut werden. Die CDU fordert ein Verkaufsverbot von Lachgaskartuschen für Minderjährige im Bundestag, wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" berichtet. Auch die Ärztekammer Niedersachsen fordert ein Verkaufsverbot für Personen unter 18 Jahren. Eltern aus dem niedersächsischen Gifhorn haben einen Brandbrief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach geschrieben, weil dort ganz in der Nähe einer Schule in einem Snackautomaten neben Keksen und Gummitieren auch Lachgaskartuschen verkauft werden, wie der "NDR" berichtete. In Wuppertal hat sich ein breites Parteienbündnis im Rat dafür stark gemacht, dass Lachgas als Rauschmittel im Jugendschutzgesetz verankert wird, und eine Resolution an das Bundesfamilienministerium geschickt, wie der "WDR" berichtete. In den Niederlanden sind der Besitz und Verkauf von Lachgas bereits seit Januar 2023 verboten. Ist der Rausch aus der Kartusche wirklich so gefährlich?
Distickstoffmonoxid ist umgangssprachlich als Lachgas bekannt. Das Gas ist farblos und hat einen süßlichen Geruch. Es findet einen breiten Einsatz: in der Zahnmedizin als schmerz- und angstlinderndes Medikament, als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln, als Treibgas in Spraydosen oder im Autotuning für die kurzzeitige Leistungssteigerung des Motors.
Lachgas für einen kurzen Rausch zu missbrauchen, ist nicht neu. Seit fast 250 Jahren wird Distickstoffmonoxid inhaliert für ein kurzes Gefühl von Euphorie, Entspannung, Ruhe und des Losgelöstseins, berichtet die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA). Doch seit 2010 sieht die EMCDDA einen Anstieg des Konsums von Lachgas. "Wir befinden uns mitten in der dritten Welle des Lachgas-Hypes", urteilt die Beobachtungsstelle in einem Bericht vom November 2022.
Wie viele Jugendliche in Deutschland für den legalen Rausch Lachgas inhalieren, ist nicht bekannt. Es gibt keine repräsentativen Daten für die Bevölkerung in ganz Deutschland. In einer Online-Umfrage von über 280 Suchtexpertinnen und Experten zeichnet sich das Bild ab, dass der Lachgaskonsum eher im Westen und Norden der Republik ein Thema zu sein scheint.
Einen weiteren Hinweis liefern Daten aus Frankfurt am Main. Der Konsum von Lachgas unter Jugendlichen ist dort einer Studie zufolge so hoch wie nie. 17 Prozent der Jugendlichen in Frankfurt hätten schon einmal Lachgas konsumiert, heißt es für das Berichtsjahr 2022 in der Drogenstudie Mosyd (Monitoring System Drogentrends). Ein Anstieg lasse sich (mit Ausnahme des ersten Pandemiejahres) schon seit 2016 beobachten. Für die Studie wurden durch das Centre for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt rund 1500 Schülerinnen und Schüler zwischen 15 und 18 Jahren befragt.
Beim Einatmen durch Mund oder Nase wirkt Lachgas bereits nach wenigen Sekunden betäubend. Halluzinationen und Glücksgefühle können auftreten. Das Gas gelangt in die Lunge. Es dringt leicht in die Zellen des Nervensystems ein. Im zentralen Nervensystem gibt es Andockstellen für den Botenstoff Glutamat. Diese werden durch Lachgas blockiert. Die Hemmung des Botenstoffs führt zu Wahrnehmungsveränderungen. Auch Schmerzsignale werden unterbrochen. Der Konsum führt auch zu Sauerstoffmangel, was Gefühle von Schwindel, Benommenheit oder Orientierungslosigkeit verstärken kann.
"Was nur kurz wirkt, kann so schädlich nicht sein – das ist der Irrglaube vieler Lachgas-Konsumenten und -Konsumentinnen", sagte Marc Pestotnik, Referent in der Fachstelle für Suchtprävention Berlin, gegenüber der Krankenkasse "Barmer".
Während des Konsums kann es durch den Sauerstoffmangel im Blut zu Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Versagen und Hirnschäden kommen. Auch wenn der Rausch schnell vorbei ist, können Benommenheit, Schwindel oder Kopfschmerzen bis zu 30 Minuten anhalten. Außerdem kann es zu Erfrierungen kommen, wenn das Gas direkt mit Mund oder Lippen in Berührung kommt. Das Gas ist kryogen, also sehr kalt (-55 Grad). Wird das Gas zusammen mit anderen Drogen wie Alkohol oder Cannabis konsumiert, kann das dazu führen, dass Jugendliche unterschätzen, wie viel Lachgas sie bereits inhaliert haben, so berichtet die EMCDDA.
"Todesfälle im Zusammenhang mit Distickstoffmonoxid sind selten. In den meisten Fällen handelt es sich um versehentliches Ersticken bei der Verwendung einer Maske oder eines Kunststoffbeutels über den Kopf ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr", berichtet die EMCDDA.
Der Konsum von Lachgas führt nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit. Es kann aber zu einer psychischen Abhängigkeit kommen. User und Userinnen wollen das Glücksgefühl, welches durch den Konsum von Lachgas ausgelöst wird, immer wieder erleben.
Alicia Haar, therapeutische Leiterin an der Suchtklinik am Kronsberg, berichtete gegenüber "Spektrum" von Lachgasexzessen bei denen Jugendliche 100 oder gar 200 Ballons mit Lachgas hintereinander konsumieren. Bei solchen Exzessen oder bei regelmäßigem Konsum, kann sich das Gas toxisch auf die Nerven auswirken. Lachgas stört den Stoffwechsel von Vitamin B12 im Körper und verhindert die Bildung von Methionin, einer Aminosäure, die für den Aufbau der Nervenhüllen benötigt wird. Das führt zu Nervenschädigungen bis hin zu einer Schädigung des Rückenmarks. Betroffene können über komische Gefühle in den Beinen klagen. Oft fängt es mit Kribbeln in den Händen, Armen, Füßen und Beinen an. Kommt es zu weiteren Schädigungen, kann es zu Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche kommen, informiert die EMCDDA.
Bei steigenden Dosen können auch Psychosen eine Folge sein.
Quellen:EMCDDA, EMCDDA Bericht, Drogenbericht Frankfurt,WDR, Redaktionsnetzwerk Deutschland, Barmer,Drugcom, Spektrum, Stadt Wuppertal,Ärztekammer Niedersachsen, NDR , Pronova BKK, Umfrage Suchtexpter:innen