Nach zwei Jahren Inflation achten viele auch beim Urlaub wieder mehr aufs Geld. Der stern hat sich auf der Welt umgeschaut und günstige Reiseziele für 2024 gefunden
Carmen Schweres spürt, wie sich die Stimmung gedreht hat. Die Ansprüche ihrer Hamburger Kundinnen und Kunden an die schönsten Wochen des Jahres waren schon immer hoch, nach der Corona-Zwangspause erst recht. Doch wenn sich die Urlaubsreifen und Sonnenhungrigen jetzt bei ihr im Derpart-Reisebüro im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel melden, dann haben sie oft noch ein anderes Thema im Kopf: "In diesem Jahr spielt ganz klar der Preis eine große Rolle, mehr als früher", berichtet Schweres. "Irgendwie setzt sich jeder ein Budget, und dann muss man schauen, was man dafür bekommt."
Der Urlaub war den Deutschen lange lieb und teuer – nach der Pandemie besonders. Das galt sogar noch, als im vergangenen Jahr Flüge und Hotels deutlich teurer wurden: Hauptsache, raus! Doch nach zwei Jahren Inflation, die nur langsam sinkt, schauen viele eben doch aufs Geld. Der Urlaub ist den Deutschen weiterhin lieb, aber inzwischen öfter auch zu teuer.
Etwa 1500 Euro geben Urlauber im Schnitt und pro Person hierzulande für die wichtigste Reise im Jahr aus, sagt Anja Brittner-Widmann, die an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Ravensburg Urlaubs- und Destinationsmanagement lehrt. Dafür gibt es dann zehn bis zwölf Tage Ausspannen oder Abenteuer, je nach Lust und Laune. "Eine vierköpfige Familie ist also bereit, etwa 6000 Euro für den Urlaub auszugeben", sagt die Expertin. Aber auch sie stellt fest, dass viele inzwischen wieder mehr aufs Geld achten.
STERN PAID Albanien FS Reise Tipps 8.30
In diesem bisher kühlen Frühjahr hat sich der stern daher auf die Suche gemacht: Wo lassen sich 2024 Schnäppchen machen, wo bekommen Reisende noch am meisten für ihr Geld? Ein erster genereller Tipp lautet: raus aus dem Euro-Raum! Denn viele Währungen haben gegenüber dem Euro abgewertet. Die Anreise mag dann immer noch nicht günstig sein, aber wenigstens ist das Leben vor Ort bezahlbar.
Ein zweiter Tipp: Entgegen der alten Hoffnung auf ein Schnäppchen kurz vor dem Abflug lohnt sich frühes Buchen. Und: Vielleicht schauen Sie sich mal abseits der deutschen Allzeitlieblingsziele um – auch die gibt es noch in Europa: etwa in Bulgarien oder in Albanien, das als Reiseland gerade groß im Kommen ist. Wofür auch immer Sie sich entscheiden, der stern wünscht schon mal eine schöne Reise und gute Erholung.
Die Türkei hat Spanien überholt, zumindest bei den beliebtesten Zielen der Deutschen für Pauschalreisen in diesem Sommer. Im Vergleich zum Vorjahr verbucht das Land am östlichen Mittelmeer bereits jetzt nach Angaben des Reiseverbands DRV ein Umsatzplus von 39 Prozent. Gerade Familien reisen hier schon immer gern hin, weil die Hotels für Kinder viel zu bieten haben und oft alles im Preis eingeschlossen ist – anders als etwa in Spanien. Die Kosten lassen sich dann im Voraus genau planen, dazu überzeugt die Türkei mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Laut den Vergleichsportalen Holidaycheck und Check24 ist die Türkei für Pauschalreisen aktuell sogar das günstigste Urlaubsland – trotz der dort hohen Inflationsrate, die zuletzt fast 70 Prozent betrug. Nach Berechnungen von Holidaycheck ist ein Familienurlaub in den Sommerferien an der türkischen Riviera in diesem Jahr durchschnittlich 300 Euro günstiger als 2023. Ein Grund: Die Reiseveranstalter dürften ihre Hotelkapazitäten vor Monaten und damit vor dem jüngsten allgemeinen Anstieg der Preise eingekauft haben.
Wer sich abends auf eigene Faust ein Restaurant suchen will, muss sich aber auf deutlich gestiegene Preise einstellen. Preisbewusste Urlauber wählen daher ein All-inclusive-Hotel, dann muss man vor Ort nicht mehr viel selbst bezahlen. Und falls doch mal ein Mitbringsel lockt: Die heimische Währung, die Lira, hat gegenüber dem Euro deutlich an Wert verloren, das gleicht die Inflation weitgehend wieder aus. Derzeit bekommt man für einen Euro gut 34 Lira – vor einem Jahr waren es noch 21.
Ähnlich wie bei der Türkei gibt es auch rund um die nordafrikanischen Urlaubsländer immer wieder geopolitische Spannungen. Der Krieg im Gazastreifen führte kurzfristig zu einer Buchungsdelle in Ägypten, doch jetzt ist die Nachfrage wieder stabil – nicht zuletzt deshalb, weil Reisende hier derzeit relativ viel Urlaub für ihr Geld bekommen.
Der Tourismus ist mit mehr als zwei Millionen Arbeitsplätzen und einem Anteil von bis zu 15 Prozent am Bruttoinlandsprodukt für das Land von großer Bedeutung – umso mehr, da Ägypten aktuell in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt. Es fehlt an ausländischen Währungen, um die Gläubiger zu bedienen. Die Inflation liegt mittlerweile bei mehr als 35 Prozent.
Für Touristen aus Europa ist Ägypten ein sehr günstiges Reiseland. Das gilt besonders im Sommer, der hier eher Nebensaison ist – allerdings sollten Urlauber dann Hitze mögen und gut aushalten. Nach Berechnungen von Holidaycheck können Familien in diesem Jahr dort bis zu elf Prozent gegenüber vergleichbaren Angeboten aus dem vergangenen Jahr sparen. Der Wechselkurs des Euro zum ägyptischen Pfund liegt derzeit bei ungefähr 1 zu 50.
Wer nicht ganz so weit reisen will oder es nicht so heiß mag wie am Mittelmeer und in Nordafrika, der sollte sich in Osteuropa umsehen. Viele Länder dort haben zwar Kultur und schöne Landschaften zu bieten, sind touristisch aber erst wenig erschlossen. Als Sommerreiseziel für Pauschalurlauber hat sich bisher nur Bulgarien etabliert. Mit seinem weiterhin relativ niedrigen Preisniveau lockt es vor allem junge Leute zum Feiern und Baden ans Schwarze Meer. Essen, Getränke und das Taxi sind hier ziemlich günstig.
Albanien baut touristische Angebote wie Gastronomie, Nachtclubs und Strandhotels erst auf, ist aber im Kommen. Stefan Baumert, Deutschlandchef des größten deutschen Reiseveranstalters Tui, berichtete Anfang des Jahres von dreistelligen Zuwachsraten, allerdings auf sehr niedrigem Niveau.
"In Bulgarien, wo die touristische Infrastruktur in den vergangenen Jahren stärker ausgebaut wurde, sehen wir, dass das Urlauber anzieht", sagt Branchenexpertin Brittner-Widmann. "In Albanien gibt es erst punktuell Angebote, die längst noch nicht mit Spanien zu vergleichen sind."
Dass sich das Land herumspricht, zeigt auch das Interesse von Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner: Er will eine ganze Insel vor der Küste Albaniens zu einem luxuriösen Reiseziel entwickeln und auf der Halbinsel Zvërnec mehrere Hotels und Hunderte Villen bauen. Noch ist nichts unterschrieben – also nichts wie hin!
Fernreisen erleben nach der Coronapandemie ein Comeback: Schon jetzt liegen die Buchungen für weit entfernte Reiseziele um ein Viertel über dem Vorjahr – besonders beliebt ist dabei Asien. "Thailand und Indonesien gehören zu den Ländern, die eine unheimlich gute Tourismusinfrastruktur bieten und sehr serviceorientiert sind", sagt Anja Brittner-Widmann. Und das zu günstigen Preisen, insbesondere in Indonesien. Wie passend, dass dort die klimatisch beste Reisezeit der deutsche Sommer ist.
Natürlich müssen Urlauber für die Anreise nach Asien mit dem Flugzeug tief in die Tasche greifen. Seit Mai gilt zudem eine erhöhte Luftverkehrsabgabe: Die Ticketsteuer steigt um etwa 20 Prozent. Trotzdem sind Flüge nach Thailand über Pfingsten fünf Prozent günstiger als 2023, hat das Buchungsportal Skyscanner ausgerechnet. Und wer erst mal da ist, braucht nicht viel auszugeben.
Sowohl die Unterkünfte als auch Restaurants und Aktivitäten außerhalb des Hotels sind vergleichsweise günstig. Und das gilt auf jedem Niveau: So sind Luxushotels in Indonesien selbstverständlich deutlich teurer als einfache Absteigen, aber sie kosten einen Bruchteil dessen, was etwa in der Karibik oder auf Hawaii fällig wäre.
Wer im Urlaub lieber etwas erleben möchte, statt am Strand zu liegen, sollte sich nach Studienreisen umschauen. Auch für solche organisierten Touren mit deutschsprachigen Reiseleitern finden sich günstige Angebote.
Peru etwa ist ein eher teures Reiseland, wird nach der Pandemie aber erst langsam wieder gebucht. Einheimische haben zuletzt sogar in Deutschland Schlagzeilen gemacht, weil sie die Bahnstrecke und den Zugang zur weltberühmten Inkastadt Machu Picchu in den Anden blockierten. Sie demonstrierten so gegen eine Privatisierung des Ticketverkaufs und gegen noch mehr Besucher, die den Erhalt der Ruinenstadt erschweren. In Zukunft werde eine Reise nach Peru eher teurer, sagt Michael Knapp, Chef des Studienreise-Veranstalters Gebeco. Der im deutschsprachigen Raum etablierte Anbieter wirbt gerade mit attraktiven Konditionen.
Ein anderes Fernreiseziel, das nicht nur günstig, sondern auch noch wenig bekannt ist, ist Usbekistan. Das Land in Zentralasien liegt an der alten Seidenstraße, der früheren Handelsroute zwischen China und dem Mittelmeer. Das Preisniveau ist extrem niedrig, der Euro hat eine hohe Kaufkraft, weil die Währung So’m fast nichts wert ist. Und bald soll in der Hauptstadt Taschkent der erste McDonald's des Landes eröffnen.