Die Finanzbranche entdeckt Frauen als Zielgruppe, bedient dabei aber immer noch oft uralte Klischees. Dabei gehen Frauen längst souverän mit ihren Finanzen um.
Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst im Oktober 2022.
Einige Sätze tun regelrecht weh: "Frauen und Geldanlagen? Gehören für manche auf den ersten Blick nicht zusammen." Mit diesem Satz wirbt allen Ernstes eine große Bank um weibliche Kundschaft. Marketingsprüche und Grips – dazwischen tut sich offenbar auch eine größere Lücke auf. Und zwar eine noch größere als zwischen Frauen, Männern und ihren jeweiligen Finanzen.
Aber auch wenn Frauen weit weniger Berührungsängste mit der Geldanlage haben, als gemeinhin unterstellt wird, gibt es sie ja, die Kluft beim Geld zwischen den Geschlechtern. In jüngeren Jahren heißt sie Gender-Pay-Gap und bezeichnet die durchschnittlich 18 Prozent Abstand zwischen den Geschlechtern beim Stundenlohn.
In späteren Jahren zeigt sich dann der sogenannte Gender-Pension-Gap zwischen den Rentenbezügen von Männern und Frauen. Und der beträgt dann oft schon bis zu 40 Prozent der Versorgungsansprüche. Vor allem, weil Frauen im Schnitt nicht nur weniger verdienen, sondern weil ihnen dank Kindern und Familie im Vergleich zu Männern oft etliche Jahre im Job fehlen. So sammeln sie schließlich auch niedrigere Rentenansprüche.
Unstrittig ist: Um nicht in diese Pensionslücke zu tappen, müssen Frauen privat sparen – zumal sie auch noch länger leben. Aber das tun sie auch bereits. Rund die Hälfte der Bundesbürger spart fürs Alter, davon ist fast die Hälfte weiblich. Genau das muss man bestärken, statt weiter die alten Klischees von den ahnungslosen Frauen zu pflegen. Denn die sind Quatsch, wie dieser Realitätscheck für drei hartnäckige Mythen über Frauen und das Geld zeigt:
71 Prozent aller Frauen sagen: "Ich nehme meine Finanzen selbst in die Hand." Das ergab jüngst eine repräsentative Civey-Umfrage. Laut einer Studie von J. P. Morgan legen zwei Drittel der befragten Frauen (aus zehn europäischen Ländern) auch in Aktien an. Das Deutsche Aktieninstitut zählte im Corona-Jahr 2020 immerhin rund 650.000 Frauen, die ihr Geld erstmals am Markt anlegten.
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Es könnten mehr sein, klar. Aber diejenigen, die kein Geld zurücklegen, tun das oft nicht aus Desinteresse, sondern weil ihre Einkünfte dafür nicht reichen. Dieses Problem dürfte Frauen zudem häufiger betreffen als Männer. Zumal Frauen im Schnitt einen höheren Anteil der Familienausgaben bestreiten, sagen Finanzberater. Frauen kümmern sich also sehr wohl ums Geld, aber häufig um das kleine Geld im Alltag. Die Geldanlage müssen sie sich noch häufiger vornehmen.
Freilich gibt es große Wissenslücken bei Finanzfragen – allerdings bei beiden Geschlechtern. So geben Männer in Umfragen zwar häufiger die korrekten Antworten auf Fragen zu Inflation, Rendite und Finanzprodukten. Frauen dagegen kreuzten häufiger "Weiß nicht" an. Forscher fanden aber heraus: Tilgt man die "Weiß nicht"-Antwortmöglichkeit, dann sind die Antworten der Frauen häufig korrekt.
Das weibliche Selbstbewusstsein in Finanzfragen sei insgesamt weniger ausgeprägt, sagt Finanzprofessorin Alexandra Niessen-Ruenzi von der Uni Mannheim – und gewiss tragen die Werbeslogans so mancher Bank dazu bei. Die Folge ist, dass Frauen im Schnitt weniger Zeit für ihre Finanzen aufwenden. Weil sie deshalb weniger Wissen über Finanzmärkte und Geldanlage sammeln, wagen sie sich auch seltener an Finanzprodukte und Aktienmärkte heran. Es ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Wie man das ändert? Lesen, lesen, lesen. Und reden – natürlich übers Geld.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Risikoneigung von Mensch zu Mensch. Was Wissenschaftler den Frauen aber tatsächlich häufiger attestieren: ein größeres Sicherheitsbedürfnis. Das hängt ebenfalls mit dem Einkommen zusammen. Je weniger Geld jemand hat, desto weniger kann er oder sie sich einen Verlust leisten und wird also weniger ins Risiko gehen.
Was ja nicht schlecht ist – sofern es die Menschen nicht grundsätzlich davon abhält, in Wertpapiere zu investieren. Rechnet man die jeweilige Risikopräferenz heraus, legen Frauen jedenfalls nicht anders an als Männer, sagen Forscher: Sie wählen dieselben Produkte und teilen das Geld ähnlich zwischen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen auf.
© Julius Klemm
Kleinere Unterschiede gibt es aber: In weiblichen Depots finden sich hauptsächlich Fonds und ETFs, sie sind also clever und breit gestreut. In männlichen Depots stecken häufiger Einzelaktien. Das ist gewagt. Überdies halten Frauen Anlagestrategien langfristiger durch, sie schichten weniger um. Dadurch erzielen sie sogar höhere Renditen, weil sie weniger Handelsgebühren generieren.
Männer dagegen traden mehr und spielen häufiger. Sie setzen beim Investieren oft alles auf eine Karte. Damit erzielen sie häufiger sowohl extrem gute als auch extrem schlechte Ergebnisse. Wenn Frauen also in die Geldanlage einsteigen, stehen ihre Chancen ziemlich gut, vieles besser zu machen.