Am Samstag läuft Thomas Gottschalks "Wetten, dass..?"-Finale. Dauergast Atze Schröder erzählt, was er in der Show erlebt hat – und danach.
Herr Schröder, wie oft waren Sie zu Gast bei "Wetten, dass..?"
Gefühlt andauernd. Ich glaube, es waren fünfmal Gottschalk, viermal Lanz.
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Mal?
Das war bei Gottschalk in Düsseldorf. Der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers saß in der ersten Reihe und guckte mich die ganze Zeit grimmig an. Ich glaube, der mochte mich nicht. Am besten habe ich mich an dem Abend mit 50 Cent verstanden. Ich habe mir nie verziehen, dass ich seine Einladung abgelehnt habe.
Wohin hatte er Sie eingeladen?
Er sagte: Hey, wir fliegen gleich nach der Sendung mit eigener Maschine zurück nach London. Party mit 150 Leuten. Komm doch mit! Ich sagte freundlich ab, weil ich schon zur After-Show-Party von "Wetten, dass..?" zugesagt hatte, als treuer deutscher Comedy-Dienstleister. Aber von den Leuten auf dem Sofa war ich der Einzige auf der Party. Nicht mal Gottschalk war da, wenn ich mich recht erinnere.
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Wie sah es hinter den Kulissen aus?
Es war ein gigantischer Aufwand. Die brauchten mehrere große Hallen, und die Crew reiste schon eine Woche vorher mit etlichen Lastwagen an und fing an aufzubauen. Das waren nicht nur Buntstiftlutscher-Wetten. Da wurde richtig was aufgefahren – all die Bagger, Busse und Trecker, die irgendwas Wildes im Saal machen sollten. Jede Wette hatte ihren eigenen Schauplatz vor Ort: Bühnenbild, Dekoration, Aufbauten. Das machte Eindruck auf alle. "Wetten, dass..?" war der deutsche TV-Olymp. Das Hochamt der Unterhaltung.
Wie ist Gottschalk als Gastgeber?
Er hat einfach diese Zirkusdirektor-Fähigkeiten. Er kann die ganze Show, all die Stars und das riesige Team, mit seiner Selbstsicherheit zusammenhalten. Man könnte es auch begnadete Breitärschigkeit nennen. Er probte nur widerwillig und verließ sich auf seine Schlagfertigkeit. Zu seinem Erfolgsrezept gehörte auch immer eine gewisse Ignoranz den berühmten Gästen gegenüber.
Ignoranz?
Gottschalk erstarrte nie in Ehrfurcht. In Interviews hat er den Leuten nie richtig zugehört und auf ein Stichwort für seinen nächsten Gag gelauert. Aber nur mit diesen Fähigkeiten kann man so ein Schlachtschiff steuern, ohne durchzudrehen.
Wie geht er mit seiner Prominenz um?
Die ist einfach da. Das weiß er. Das wissen die Leute. Aber er inszeniert sich nicht. Ich saß mal nach meiner eigenen Show abends zusammen mit meinem Tourmanager in einem Club in München. Da kam Gottschalk in den Laden und alberte umgehend los, schuf Nähe, duzte alle und nahm jedem die Befangenheit. Dann sah er uns, steuerte sofort unseren Tisch an, setzte sich und rief: "Sauber, Jungs. Ich dachte schon, ich wäre der einzige Promi in dem Laden."
Also der normale Kumpel von nebenan?
Nicht ganz. Tommy sitzt also am Tisch und unterhält sich blendend mit einem. Während er erzählt, hält er ab und an, ohne sich umzudrehen, sein leeres Glas nach hinten. Und geht offenbar davon aus, dass jemand Champagner reingießen wird. Genau das passierte. Noch besser ist es, wenn er genug hat und so einen Laden verlässt. Er ruft sich nie ein Taxi. Er stellt sich einfach an die Straße und schaut sich die Autos an. Wenn sich ein schicker, teurer Wagen mit einem Typen drin nähert, winkt er und hält den an. Dann fragt er den Fahrer: Können Sie mich zum Hotel bringen?
Er hält fremde Menschen einfach so an?
Das Irre ist: Es funktioniert. Er hält eine S-Klasse an, und der Typ drin ist überglücklich, dass er Thomas Gottschalk ins Hotel fahren kann. Der macht im Wagen aber auch Programm. Er sagt etwa zum Fahrer: "Rufen Sie mal Ihre Frau an. Ich grüß die mal eben." Ein paar Sekunden später heißt es: "Tommy hier. Ich sitz im Auto deines Gatten. Netter Kerl. Der fährt mich ins Hotel."
Unfassbar.
Wenn Sie im Auto säßen, und Thomas Gottschalk hält Sie an und bittet Sie, ihn mitzunehmen. Würden Sie doch machen, oder?
Wenn ich nicht gerade mit meiner schwangeren Frau auf dem Weg in die Klinik wäre, wohl schon.
Tommy würde glatt mitfahren und die Entbindung moderieren.
Wie haben Sie die Co-Moderatorin Michelle Hunziker erlebt?
Ein totaler Kumpeltyp. Die kann auch ordentlich einen heben. Wir haben mal nach der Show in einer Hotelbar einen sensationellen Abend verbracht.
Welche der Shows ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Das war eine Sendung in Hannover. Ich war Wettpate zusammen mit Matthias Schweighöfer und Lena Meyer-Landrut. Die hatte gerade den Eurovision Song Contest gewonnen und war total nervös. Gottschalk eröffnete also die Show. Wir wurden vorgestellt, und Schweighöfer und ich wussten: Jetzt kommen drei Stunden Langweile.
Langeweile im TV-Olymp?
Im Fernsehen kam das meist spannend rüber. Aber wenn du da vor Ort warst, sah das anders aus. In der Haupthalle saß das Publikum, und da hockten auch wir auf dem Sofa. Aber viel passierte auch rechts und links in der riesigen Halle. Irgendwo hinter der Erdkrümmung spielten Bryan Adams oder Phil Collins. Von all dem bekam man nicht viel mit. Da zog sich so ein Abend schon mal. Aber Schweighöfer und ich hatten ein paar Flaschen Sekt dabei und hinterm Sofa versteckt. Und drei Gläser. Denn wir hatten ja unsere Lena. Wir saßen da und schenkten ein und ständig nach. Um halb zehn war Lena schon so angeschickert, dass sie dauernd einnickte.
Und Sie?
Ich war irgendwann breit wie ein Rathaus. Plötzlich war meine Wette dran, und Gottschalk rief aus der Tiefe der Halle: "Und, Atze, was sagst du?" Ich antwortete: "Der schafft das!" Der Wettkandidat war allerdings eine Frau.
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Wie ging der Abend zu Ende?
Ich verlor meine Wette und musste vor Ort nach der Show gleich meinen Wetteinsatz einlösen: Ich fuhr eine Zuschauerin in einer Ente vom Veranstaltungsort zum Hauptbahnhof Hannover.
Klingt unspektakulär.
Aber nicht, wenn man noch mächtig einen in der Krone hat. Das Schönste war, dass mich die Polizei eskortierte. Ein Wagen vor, einer hinter mir. Ich habe die Ente am Bahnhof stehen gelassen und bin in die Bar eines schicken Hotels in der Nähe gegangen. Da traf ich auf Michelle Hunziker, was zu dem feuchtfröhlichen Abend in erwähnter Hotelbar führte. Die Ente ist übrigens nie wieder aufgetaucht. Ich hatte den Schlüssel stecken lassen. Irgendjemand hat das alleinstehende Auto mitgenommen.
2012 übernahm Markus Lanz die Show. Worin unterscheiden sich die beiden?
Markus war viel konzentrierter, total fokussiert. Er hat anständig geprobt und war in Interviews natürlich viel besser. Aber diese bräsige Lockerheit Gottschalks fehlte ihm. Wenn er da mit einem Kasten Bier auf dem Rücken gegen jemanden im Liegestütz-Wettbewerb antreten sollte, wollte er den unbedingt gewinnen. Gottschalk wäre das total egal gewesen. Abgesehen davon, dass er so was ohnehin nie gemacht hätte. Er hätte stattdessen einen Witz erzählt.
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Sie waren in der Lanz-Sendung zu Gast, als Tom Hanks die berühmte Katzenmütze trug.
Und wer hat sie ihm aufgesetzt?
Sie?
Genau. Ich war als Markus’ Assistentin Cindy aus Marzahn verkleidet, die an diesem Abend verhindert war. Also hatte ich den Job vertretungsweise übernommen.
Tom Hanks soll sich später über die Show beklagt haben.
Ich war dabei und sage hier: Tom Hanks war bestens gelaunt, fand auch die Katzenmütze nicht schlimm und hatte Spaß. Er hat halt nur später ein paar Jokes über die Sendung gemacht.
Wenn Sie auf "Wetten, dass..?" zurückblicken: Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Karl Lagerfeld, der mit auf dem Sofa saß. Der war unfassbar nett und inspirierend. Er hat mit allen auf Augenhöhe geredet. Mit den Bühnenarbeitern und den anderen Gästen. Auch mit ein paar Rappern, von denen wollte er wissen, wie sie ihre Texte schreiben.
Und was war Ihr verrücktestes Erlebnis?
Wie Gottschalk bei der Show in Nürnberg komplett in einen riesigen Senfbehälter getaucht wurde. Das war wirklich total bescheuert.