In Brüssel gab es mehrere Durchsuchungen und vier Festnahmen. Der Grund: Ein Golfstaat soll versucht haben, das EU-Parlament zu beeinflussen.Die belgische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Korruption und Einflussnahme im Europäischen Parlament durch einen Golfstaat. In diesem Zusammenhang ist offenbar auch die Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, festgenommen worden, wie die Nachrichtenagenturen AFP und dpa aus informierten Kreisen erfahren haben. Sie werde derzeit von den Ermittlern verhört.Zudem sei ihre Wohnung durchsucht worden, wie die Zeitung "Le Soir" zusammen mit dem Magazin "Knack" berichteten. Noch am Freitagabend wurde Kaili vor dem Hintergrund der Ermittlungen von ihrer Partei, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), ausgeschlossen.Bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmaßliche kriminelle Organisation sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche. Um welchen Golfstaat es sich handelt, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Der Recherche zufolge geht es um Katar. Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft gab es in dem Fall am Freitag 16 Durchsuchungen und fünf Personen wurden festgenommen. Darunter sollen auch ein ehemaliger italienischer EU-Abgeordneter sowie ein Parlamentsmitarbeiter sein.Auf frischer Tat ertappt?Eigentlich gilt für Europaparlamentarier Immunität. "Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder wegen ihres Abstimmungsverhaltens weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder gerichtlich verfolgt werden", heißt es auf der Webseite des Parlaments.Die Ausnahme: Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Immunität nicht geltend gemacht werden. Das EU-Parlament kann außerdem die Immunität aufheben – ein entsprechender Antrag muss aber öffentlich bekannt gegeben werden und wird dann an den Rechtsausschuss weitergegeben. Im Fall Kaili gab es bislang keine entsprechenden Verlautbarungen.Kaili hielt Lobeshymne auf KatarKaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie das Sport-Ereignis als Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar habe etwa bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt.Die Griechin ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine von 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.Geldsummen sollen an Personen im Parlament verteilt worden seinNach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die belgische Polizei seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versucht, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.Bei den Durchsuchungen wurden der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt. Ein Sprecher des Europaparlaments sagte auf Anfrage, zu laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren."Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden"Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. "Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden", sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.Als "unfassbar und beschämend" bezeichnete der Sprecher der Europa-Grünen, Rasmus Andresen, auf Twitter den Vorgang. "Das EU-Parlament muss alles dafür tun, diese Vorwürfe konsequent aufzuarbeiten. Korruption darf nicht geduldet werden", schrieb er.