Der Hyundai Konzern und speziell deren Edelableger Genesis hat in den letzten beiden Jahren mächtig Gas gegeben. Jetzt soll der neue G90 als Flaggschiff sogar die Luxusmodelle von Audi, BMW und Mercedes angreifen. Mit Aussicht auf Erfolg?
BMW hat mit seinem neuen 7er, ebenfalls als elektrischer i7 zu bekommen, in der Luxusklasse neue Bestmarken gesetzt, während Audi A8 und Mercedes S-Klasse mit bekannten Qualitäten glänzen. In dieses Terzett will zumindest international der neue Genesis G90 einfallen. Dabei ist es kaum zu glauben, wie viele neue Modelle der Edelableger aus dem Hyundai-Konzern in den vergangenen zwei Jahren auf die Straße gebracht hat. Nunmehr also das neue Topmodell mit einem mächtigen Wermutstropfen: der neue Genesis G90 kommt weder als Normalversion, noch als 5,45 Meter lange XXL-Variante nach Europa. Das neue Luxusmodell soll insbesondere in der koreanischen Heimat sowie in den USA glänzen und das tut der G90 wie schon seine kleineren Brüder erst einmal mit einem überaus eleganten Design. Die Front mit den doppelten LED-Streifen ist markig, die Seitenlinie bei der 5,28 Meter langen Standardvariante mehr als elegant und das leicht abfallende Heck scheint nicht enden zu wollen.
Doch der eigentlich große Auftritt ist im Innern zu bestaunen. Es geht moderner zu als im leicht barocken G80 und nicht ganz so innovativ wie im GV60, doch gerade diese Kombination mit edlem Leder und wertiger Verarbeitung passt. So schick und bequem es für Fahrer und Copilot auf den klimatisierten Ledersesseln mit guter Massage- und spürbarer Klimatisierungsfunktion zugeht: die eigentliche Schau beim G90 ist sein Fond. Hier sitzt es sich trotz niedriger Dachlinie exzellent und die elektrische Verschattung rundum lässt neugierige Blicke ebenso außen vor wie störende Sonneneinstrahlung. Auf Wunsch bringen die beiden Panoramadächer vorn wie hinten warmes Licht ins Innere. Zudem gefällt noch mehr als vorn das Platzangebot und die gelungene Kombination aus Leder, Holz und entspannter Atmosphäre.
Der Antrieb des mindestens 88.400 US-Dollar teuren Genesis G90 dagegen überrascht. Aktuell wird der Luxus-Koreaner allein mit einem 3,5 Liter großen V6-Turbo angetrieben, der über eine dezent im Hintergrund arbeitende Achtgang-Automatik wahlweise nur die Hinterachse oder alle vier Räder antreibt. Doch nicht nur die unelektrifizierten 380 PS sind nicht viel, wenn man in dieser Klasse ernsthaft Luxuslimousinen von Audi, BMW, Cadillac oder Mercedes angreifen will. Gerade auf den Märkten wie in Asien, Nordamerika oder den Emiraten, wo Image und Status über nahezu allem steht, sind sechs Brennkammern im Vorderwagen zu wenig des Guten. Klar, ist man hinter dem ledernen Zwei-Speichen-Steuer des G90 entspannt unterwegs und 280 kW / 380 PS sind alles andere als wenig, um entspannt auch längeste Strecken zurücklegen zu können. Doch das Leistungspaket ist trotz der 540 Nm maximales Drehmoment allemal etwas schmal, um sportlich oder engagiert in der ersten Luxusliga mitzufahren, denn schließlich sind die Wettbewerber – mit oder ohne Elektromotor – locker mit 600, 700 oder mehr Pferdestärken unterwegs. Und wenn man die Konkurrenz von hinten aufrollen möchte, darf man auch auf dem Papier nicht gleich auf verlorenem Posten parken. Der Normverbrauch: mit 10,8 Litern auf 100 Kilometer ohne Elektrifizierung ebenfalls eher mäßig. Immerhin legen die Koreaner bald eine zweite Motorvariante mit elektrischem Turbolader und obligatorischem Allradantrieb nach, die mit 48-Volt-Bordnetz dann 410 PS aus dem 3,5-Liter-V6 herausholt. Doch mit über 2,3 Tonnen ist der Koreaner eben auch kein Leichtgewicht.
Trotzdem reicht das Leistungspaket im Wettbewerbsumfeld nicht aus, wenn man in Sachen Komfort derart glänzen kann wie der neue Genesis G90. Dessen Luftfederung lässt durchaus ein paar Wünsche offen, wenn es einmal flotter oder gar dynamisch zugehen soll, doch im entspannten Reise- oder Langstreckenmodus ist der G90 eine echte Schau und fährt in einer völlig anderen Liga als sein 2018 zuletzt überarbeiteter Vorgänger. Das Anfedern beider Achsen ist ebenso wie Geräuschdämmung vorbildlich für eine Luxuslimousine und wird insbesondere durch eine Kameraabtastung in der Frontscheibe unterstützt. So wissen Stoßdämpfer sowie Luftfederung bereits frühzeitig, was auf sie zukommt und passen Federweg und Ansprechverhalten an. Dass sich der Luxus-Genesis trotz der stattlichen Dimensionen gut rangieren lässt, dafür sorgt nicht zuletzt die serienmäßige Hinterachslenkung, die den vorderen Rädern mit rund vier Grad Einschlagwinkel unter die Arme greift.
Wenn es die Insassen doch einmal stören sollte, dass der G90 allzu entkoppelt und so flüsterleise wie eine Wolke über alles hinweg und an allem vorbeischwebt, kann das rollende Lederfoyer auf Knopfdruck mit seinen 23 Boxen zu einem prächtigen Konzertsaal werden. Die Bedienung sämtlicher Funktionen geschieht nicht allein über Taster, 12,3-Zoll-Touchscreen oder Sprache, sondern auch den Dreh-Drück-Steller auf der breiten Mittelkonsole. Für zusätzliche Unterhaltung sorgen die etwas zu kleinen 10,2-Zoll-Monitore, während sich die Funktionen im Fond über ein Acht-Zoll-Bediendisplay in der klappbaren Mittelarmlehne justieren lassen. Der Reisekomfort selbst in der Normalversion mit 3,18 Meter langen Radstand: prächtig. Und wenn es doch einmal nicht reichen sollte, ist das noch die Langversion mit 19 Zentimetern mehr Radstand, Einzelsitzanlage und Liegefunktion.