Mit einem neuen Vorstand geht die krisengeschüttelte Linke in Hessen in den Landtagswahlkampf. Bundeschefin Wissler nutzt ihren Auftritt auf einem Parteitag, um mit der Bundesregierung und anderen Oppositionsparteien abzurechnen.
Rund ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl hat Hessens Linke ein neues Führungsduo gewählt. Es besteht aus der Landtagsabgeordneten Christiane Böhm (64) und dem Kreissprecher der Linkspartei in Darmstadt, Jakob Migenda (28). Die Mehrheit der 167 Delegierten wählten die beiden am Samstag beim Landesparteitag im südhessischen Dietzenbach zum neuen Landesvorstand. Böhm erhielt 76,2 Prozent der Stimmen, Migenda 74,5 Prozent.
Die bisherigen Landesvorsitzenden Petra Heimer und Jan Schalauske traten nicht wieder an. Nach den jüngsten Umfragen wäre die Linke mit weniger als fünf Prozent nicht mehr im Landesparlament vertreten.
Bundesparteichefin Janine Wissler nutzte ihre Rede zu einer Generalabrechnung mit der Ampelkoalition und den anderen Oppositionsparteien. Globale Verteilungskrise, Inflation, Energiekrise, Klimakrise, Wettrüsten und Millionen Menschen auf der Flucht, es seien schwierige Zeiten, sagte Wissler. "Es ist höchste Zeit, über Alternativen zu reden und wir müssen diese Alternativen vorbringen." Die Entlastungspakete der Ampel seien viel zu spät gekommen, immer nur unter Druck und zudem seien sie nicht nachhaltig.
"Wir brauchen einen echten Strom- und Gaspreisdeckel", sagte Wissler. Man müsse Menschen finanziell unterstützen, die eine Grundversorgung bräuchten, weil sie sonst am Ende des Monats die Rechnungen nicht zahlen könnten. Notwendig sei auch ein Mietendeckel. Natürlich gebe es mehr Wohngeld und dies sei auch gut. Es sei aber besser, Mieten zu deckeln, als hohe Mieten zu subventionieren. Zudem sprach Wissler sich für eine Übergewinnsteuer aus - auch schon für Gewinne, die jetzt gemacht würden. "Einige verdienen sich eine goldene Nase", kritisierte sie Energiekonzerne.
Wissler war vor ihrem Wechsel in die Bundespolitik langjährige Vorsitzende der Linksfraktion im hessischen Landtag. "Wir müssen auf der Bundesebene jetzt Rückenwind geben", sagte sie mit Blick auf einen Wiedereinzug der Linken ins Parlament nach der nächsten Landtagswahl in Hessen.
Nach Auffassung der neuen Landesparteichefin Böhm gilt es nun, die Erfolgskurve stark nach oben zu korrigieren. Und Landesparteichef Migenda sagte: "Wir haben im Landtagswahlkampf eine Mammutaufgabe vor uns."
Die Linke debattierte auch über die Konsequenzen innerhalb der Partei nach den Sexismus-Vorwürfen. Im Frühjahr hatte es Berichte über Fälle von sexueller Belästigung im Landesverband Hessen gegeben. In der Folge wurde eine Vertrauensgruppe eingerichtet, an die sich Betroffene wenden können. Am Sonntag wurde diese Vertrauensgruppe nun in der Satzung verankert, wie ein Parteisprecher sagte.
Bei der jüngsten Meinungsumfrage des Hessischen Rundfunks Mitte Oktober verlor die Linkspartei an Zustimmung in der hessischen Bevölkerung. Bei der Sonntagsfrage kam die Partei auf drei Prozent der Stimmen. Im Vergleich zum "Hessentrend" vom März 2022 entsprach das einem Rückgang von zwei Prozentpunkten. Die nächste Landtagswahl in Hessen soll im Herbst nächsten Jahres stattfinden. Der genaue Termin für die Stimmabgabe ist noch offen. Derzeit sitzen neun Linke-Abgeordnete im hessischen Parlament.
Bei den Landtagswahlen in diesem Jahr im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen verpasste die Linkspartei jeweils deutlich den Einzug in die Landesparlamente.