Ob in der Schule, im Internet oder am Arbeitsplatz – Mobbing kann jeden treffen. Das zeigt der Kölner "Tatort" erschreckend realistisch. Kommissar Schenk hat zudem ein Disziplinarverfahren am Hals, weil er eine Minderjährige belästigt haben soll.
In der Nähe einer verlassenen Villa im Wald wird die nackte Leiche von Jan Sattler gefunden. Der 17-Jährige war Abiturient an einem Gymnasium. Bei seinen Mitschülern sorgt die Nachricht von seinem Tod allerdings nicht für sonderliche Bestürzung. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Auch die drei Jugendlichen Nadine, Lennart und Robin, mit denen Jan direkt in einer Projektgruppe zusammengearbeitet hat, geben sich unbeeindruckt. Der Einzige, den Jans Tod sichtlich mitnimmt, ist Paul Hünecke (Thomas Prenn). Die beiden Jungen führten eine Beziehung und wurden dafür in der Schule massiv gemobbt und angefeindet. Neben den Mordermittlungen muss Schenk ein weiteres Problem lösen: Er hat ein Disziplinarverfahren am Hals, weil er die minderjährige Nadine bei einer Befragung (Emma Drogunova) unsittlich berührt haben soll.
Zentrales Thema ist ein Problem, das heute leider allgegenwärtig ist: Mobbing. Ob in der Schule, im Internet oder am Arbeitsplatz - es wird gepöbelt, beleidigt, ausgegrenzt, angefeindet und das oftmals ohne Konsequenzen für die Täter, dafür aber mit verheerenden Folgen für die Opfer. Im Film ist es das schwule Paar Jan und Paul, das in der Schule schikaniert wurde - zum Beispiel von Nachwuchsfußballer Robin (Justus Johanssen). Der war früher mit Jan befreundet, will nach dessen Outing aber nichts mehr mit ihm zu tun haben. "Wir haben alles zusammengemacht. Und auf einmal ist er eine Tunte?", sagt er zu Ballauf in einer Szene. Es sind vor allem die jugendlichen Darsteller, die dem Krimi Gewicht verleihen. Der ruhige Lennart (Moritz Jahn), der aus gutem Hause stammt und scheinbar zum Mitläufer geworden ist. Welches Geheimnis der Junge mit sich herumschleppt, wird erst spät offenbart. Und die forsche Nadine (Emma Drogunova), deren Mutter bei Lennarts Familie putzen geht und die alles tut, um Aufmerksamkeit zu generieren. Am Ende, und das ist eigentlich das Traurigste an der Geschichte, sind die Jugendlichen zwar befreundet, mit ihren Problemen aber trotzdem allein.PAID Warum ich seit 50 Jahren "Tatort" gucke – und es auch weiter tun werde_15.30
"Kein Mitleid, keine Gnade", so der Titel dieses "Tatorts" schildert ziemlich eindrücklich, was Mobbing bedeutet, bietet jedoch keine Lösung für das Problem. Man hätte sich gewünscht, dass der Film auch Vorschläge macht, wie Lehrer und Eltern auf diese Schikanen reagieren können. Auch die Ermittler wirken da ziemlich inaktiv. Der Mord wird zwar geklärt, das massive Mobbing bleibt allerdings wie so oft straffrei. Zudem gibt es eine Nebenhandlung mit dem Rettungssanitäter Farid Slimani (Karim Günes), die für die Geschichte nicht zwangsläufig wichtig ist, sondern nur ein weiteres Klischee bedient.
Eigentlich sollte es ein lustiger Arbeitstag werden mit einer Überraschungsparty zu Schenks Geburtstag. Doch dann kommt nicht nur die Mordermittlung dazwischen, sondern ein Strafverfahren wegen Nötigung im Amt. Ein Video, in dem der Kommissar die Schülerin Nadine belästigt haben soll, macht im Internet die Runde. Freddy Schenk hat deshalb nicht nur Ärger mit seinen Kollegen und Vorgesetzten, sondern auch mit seiner Frau. Nur sein Partner Max Ballauf hält zu ihm und will die Sache um jeden Preis aufklären.
Das Thema ist wichtig, die Umsetzung allerdings nur mäßig, deshalb gehört der Film nicht zum Pflichtprogramm.
Die "Tatort"-Folge "Kein Mitleid, keine Gnade" wurde erstmals am 12. Januar 2020 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Fall am Freitag, 14. Oktober 2022, um 22.50 Uhr.