Von Armin Guzy
Bad Wimpfen. Menschenmengen in den Gassen und den Geschäften, Kunst für Auge und Ohr an allen Ecken, Feuershow und "Walking-Akts" – und über allem ragt der fast fertig sanierte Blaue Turm in die Nacht – spektakulär mit blauem Licht und weißen, wabernden Ornamenten in Szene gesetzt: Die Lange Kunstnacht in Bad Wimpfen ist wieder möglich, und die Freude darüber ist am Samstag unübersehbar. Zigtausende sind unterwegs, schlendern, wenn es denn geht, lassen sich im Menschenstrom mittreiben oder drängen sich auch mal vor dem einmaligen mittelalterlichen Fachwerk-Ambiente durch die Stadt.
Im Burgviertel erklingt ungewöhnliche Livemusik: Alphorn und Dudelsack unterhalten die Vorbeiflanierenden – und diejenigen, die sich bei der Kulturinitiative Blacksheep ein Guinness zapfen lassen und vielleicht auch schon eine Karte für das dreitägige Festival kaufen, das Ende Juni in Bonfeld stattfindet. Die historisch gewandete Stauferwache hat ihr Domizil geöffnet, und der Verein Alt-Wimpfen unterhält mit Lesungen aus dem Parzival-Epos, während beim Steinhaus Tänze einer späteren Epoche vorgeführt werden: aus der Renaissance. Wer will, kann im Atelier des Malers Karlheinz Kirchler selbst kreativ werden und sich aus einer riesigen, bemalten Leinwand einen eigenen Ausschnitt suchen, der dann ausgeschnitten und mitgenommen werden kann. Wie er haben viele seiner Kolleginnen und Kollegen in der Stadt ihre Ateliers für Neugierige geöffnet. Öl- und Aquarellmalerei, Keramik, Bleistiftzeichnungen, Fotografien, Schmuck, extravagante, aufwendig von Hand gefertigte Hüte, Keramik, Skulpturen aus Holz, Metall und Stein: Die Vielfalt ist groß, und bis Mitternacht gibt es "Kunst satt" für alle, denen nicht nur der Magen knurrt und die Kehle trocknet.
Der Andrang ist im Vergleich zu den Kunstnächten in Vor-Corona-Jahren diesmal gefühlt sogar etwas stärker, zumal in dieser einladend lauen Mai-Nacht. Der Hunger nach Veranstaltungen und ungezwungenen Treffen scheint enorm. Die Tische vor den Wirtschaften sind dauerbelegt, und immer wieder sind Leute zu sehen, die sich herzlich umarmen und sich offenkundig freuen, sich mal wieder live zu sehen. Die Kehrseite: Masken im Freien sind die absolute Ausnahme, und wer in den engen Ateliers eine trägt, wird schon mal despektierlich als "Bankräuber" tituliert.
Wie der nur noch im Sockelbereich eingerüstete Blaue Turm, der nach jahrelanger Sanierung bereits fast wieder ein vollwertiges Wahrzeichen der Stadt ist, so ist auch der Rote Turm an diesem Abend in passender Farbe angestrahlt. Auf der Bühne am Fuße der dicken Mauern rocken Bands der Bad Wimpfener Musikschule um die Wette, während nebenan auf der kleinen Wiese Lichtskulpturen aus dem Gras zu wachsen scheinen. Schon am kommenden Wochenende steht hier, rund um den Turm, mit dem Aufbau eines mittelalterlichen Lagers die nächste größere Veranstaltung an.
Aber auch wandelnde Skulpturen gibt es: Zwei Stelenzenläuferinnen schwingen ihre LED-bestückten Flügel und scheinen so wie bunte Schmetterlinge zwischen den Besuchern zu schweben. Wo auch immer sie erscheinen, staunen nicht nur die Kinder.
Immer ein Magnet ist auch die Feuershow im Spitalhof. Mehrere hundert Zuschauer haben sich hier rechtzeitig eingefunden, um einen guten Blick auf die Vorführungen der Gruppe Art Artistica zu haben. Dann tanzen fackelschwingende Artisten, sprühen Funken, steigen Feuerbälle in den Himmel, sind flammende Räder zu sehen – und jede Menge offenstehende Münder: Für viele ist es der spektakuläre Abschluss der Kunstnacht vor dem Nachhauseweg. Für andere ist es der Auftakt für einen noch längeren, genussvollen Abend.