Von Günther Grosch
Weinheim/Heidelberg. Die Vertreterversammlung einer Genossenschaftsbank entspricht in etwa dem, was für Aktionäre von Großunternehmen die Hauptversammlung ist. Im Fall der Volksbank Kurpfalz hatten am gestrigen Montagabend 576 gewählte Vertreter der über 65.000 Mitglieder die Möglichkeit, sich über das Geschäftsjahr 2021 zu informieren. Mehr als 300 von ihnen hatten im Vorfeld der ersten Präsenzveranstaltung nach der vor zwei Jahren erfolgten Fusion der Volksbank Weinheim und der "alten" Volksbank Kurpfalz ihre Teilnahme signalisiert. Die Versammlung fand in der Weinheimer Stadthalle statt.
Neben der um 346,8 Millionen Euro auf aktuell 3,7 Milliarden Euro gewachsenen Bilanzsumme sind es insbesondere die guten Ertragszahlen, von denen Vorstandssprecher Carsten Müller und die Vorstandsmitglieder Klaus Steckmann, Ralf Heß und Michael Hoffmann den lokalen Pressevertretern bereits am Montagvormittag berichteten.
Vorgeschlagene Dividende liegt bei drei Prozent
Der Zinsüberschuss steigerte sich um 7,1 Prozent auf 48,4 Millionen Euro. Beim Provisionsergebnis erzielte man mit 29,9 Millionen Euro (plus 14,3 Prozent) eine Spitzenleistung. Dieses Ergebnis sei zum einen dem stetigen Ausbau des Wertpapiergeschäfts und der bankeigenen Vermögensverwaltung zu verdanken, so Klaus Steckmann; auf der anderen Seite trugen dazu aber auch das Firmenkundengeschäft, die gewerblichen und privaten Immobilienfinanzierungen, das Immobilienvermittlungsgeschäft sowie das Vermittlungsgeschäft aus der Genossenschaftlichen Finanzgruppe bei.
Nach einer Dividendenzahlung in Höhe von zwei Prozent für das Jahr 2020 wollten Vorstand und Aufsichtsrat der Vertreterversammlung am Abend für das Geschäftsjahr 2021 eine Dividende in Höhe von diesmal drei Prozent vorschlagen. Mit einer Gewinnausschüttung in dieser Höhe, so Steckmann, trage man dem guten Geschäftsjahr Rechnung und biete eine attraktive Rendite. Diese könne mit den aktuellen Dividendenrenditen vieler Dax-Unternehmen mithalten. Hier liegt der Durchschnitt 3,1 Prozent. Zwar würden sich die Mitglieder verständlicherweise über eine noch höhere Dividendenzahlung freuen, so Steckmann. Wichtiger sei es aber, mit dem Jahresüberschuss die Eigenkapitalbasis der Bank als deren Grundlage für die Kreditvergabe zu stärken. Vor dem Hintergrund der aktuell steigenden Zinsen rechne man mit einem deutlichen Anstieg der Kreditnachfrage und benötige ausreichend Eigenkapital.
Doch nicht nur das Ergebnis 2021, sondern auch die aktuellen Zahlen belegen, dass sich durch die Fusion der gewünschte Erfolg schneller als geplant eingestellt hat. Ausgehend von den USA sieht die vierköpfige Vorstandschaft um Vorstandssprecher Carsten Müller eine Welle an Zinserhöhungen auf die Bank und deren Kunden zurollen. Vor allem im Angesicht der aktuell sehr hohen Inflationsraten, so Vorstandsmitglied Ralf Heß, seien steigende Zinsen unmittelbar mit höheren Kosten für die Bank verbunden.
Aus diesem Grund setze man viel daran, das zinsunabhängige Provisionsgeschäft auszubauen. Den Volksbankkunden, insbesondere denen, die sich mit einer Immobilienfinanzierung oder einer Anschlussfinanzierung beschäftigen, empfehle man, "jetzt zu handeln und sich den aktuell noch niedrigen Zinssatz zu sichern", so Michael Hoffmann. Nachdem der Bundesgerichtshof im letzten Jahr bestimmte Teile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Banken für unwirksam erklärt hatte, sah sich auch die Volksbank Kurpfalz gezwungen, alle 65.000 Kunden anzuschreiben, um für eine neue rechtssichere Grundlage der Geschäftsbeziehungen zu sorgen. Diese Vorlage wurde gleichzeitig dazu genutzt, um mit den Kunden neue Kontomodelle zu vereinbaren und ihnen den "Lieblingsbankbonus" anzubieten, mit dem sie einen Teil ihrer Kontoführungskosten reduzieren können.
Nach Fertigstellung des Umbaus der Hauptstelle in Weinheim mit der Schaffung von mehr Räumen für Beratungen, einem neuen Empfangsbereich sowie zusätzlichem Platz für Kunstausstellungen – die offizielle Einweihung der neuen "Galerie in der Volksbank Kurpfalz" ist für den 2. Juni mit einer Präsentation von Werken des Mannheimer Künstlers Brixy geplant – ist in Heidelberg mittlerweile die Bebauung des Schlosskinoareals in der Innenstadt wie geplant angelaufen.
Dort sollen bis 2024 zwei neue vierstöckige Gebäude entstehen. Zum einen in Kooperation mit der Evangelischen Stadtmission Heidelberg eine Kindertagesstätte sowie 33 Einheiten für Betreutes Wohnen, zum anderen entsteht ein Wohngebäude mit sieben großzügig geschnittenen Wohnungen in bester Lage. Beide Objekte werden auf eine zweigeschossige Tiefgarage mit 65 Stellplätzen aufgebaut, informierte Vorstand Ralf Heß. Zusätzlich zum Schlosskinoareal wird das Objekt in der Akademiestraße 2a saniert. Ziel ist, nach Weinheimer Vorbild ein "Haus der Immobilie" zu etablieren.
Um einen Sitz verkleinert wird der aktuell aus 16 Personen bestehende Aufsichtsrat. Werner Sporer, der dem Gremium 25 Jahre lang angehörte, scheidet mit Erreichen der satzungsgemäßen Altersgrenze aus. Auch Andreas Huben feiert ein Silberjubiläum und erhält wie Sporer die Auszeichnung mit der Ehrennadel in Silber des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes.
Mit der Überreichung des mit 3000 Euro dotierten neunten Wissenschaftspreises "Zukunft der Arbeitswelt", den die Volksbank Weinheim Stiftung gemeinsam mit dem ZEW, dem Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, ausgelobt hat, wird in diesem Jahr Dr. Jan Kinne ausgezeichnet. Seine Arbeit zeigt auf, dass durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz themengesteuert Unternehmenswebseiten hochfrequent und voll automatisiert online ausgewertet können.