Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Johannes Nießen teilte zu Beginn der Woche dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) seine Einschätzung zur aktuellen Statistik von Corona-Neuinfektionen in Deutschland mit:
"Die genaue Zahl kennen wir nicht, aber nach zwei Jahren Pandemie können wir ungefähr abschätzen, wie sich die Dunkelziffer entwickelt."
Nießen ist Mitglied im Expertenrat der Bundesregierung und leitet das Gesundheitsamt in Köln. Laut Mutmaßung des Mediziners rechne er daher "mit einer Dunkelziffer mal zwei, was die gemeldeten Corona-Fälle angeht". Dies führe seiner Einschätzung nach zu einem "Dunkelfeld". Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach beobachtet demnach aktuell eine Situation, bei der es "derzeit wohl etwa zweimal so viele Fälle gibt, wie offiziell ausgewiesen werden". Nießen will vor allem ein Problem im gesellschaftlichen Umgang mit der individuellen Umsetzung der politisch verordneten Maßnahmenregelungen erkannt haben:
"Zudem beobachten wir einen lockereren Umgang mit Corona, nicht alle mit Erkältungssymptomen lassen sich testen, Geimpfte testen sich kaum noch und 3G gilt nur noch in wenigen Bereichen."
Neben dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte fordert auch der Verband der Amtsärzte nun schärfere Maßnahmen, vor allem eine neu definierte Maskenpflicht für die bevorstehenden Sommermonate. Nießen teilte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio mit, dass er "die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften darum für einen Fehler" hält. Er fordert daher, die Maske müsse man "auch im Sommer ebenso bei sich tragen und benutzen wie ein Handy". Das sei "aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen wichtig".
Auch in der Politik werden die fortlaufenden Erleichterungen durch Abschaffung der Maskenpflicht in Innenräumen kritisch hinterfragt. Die Regelung, dass in der kommendem Sitzungswoche im Deutschen Bundestag die Maskenpflicht und der 3G-Nachweis als Voraussetzung für die Teilnahme an Plenar- und Ausschusssitzungen abgeschafft wird, schätzt der CDU-Politiker Marco Wanderwitz als Fehler ein.
Keine gute Entscheidung der Präsidentin die Maskenpflicht im #Bundestag aufzuheben. Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei. Masken und 3G schützen und sind eine kleine Einschränkung. #Corona
— Marco Wanderwitz (@wanderwitz) April 21, 2022
Auch Carla Büttner, Mitglied der Partei Die Linke, äußerte ihr Unverständnis zu der Maskenbefreiung in Innenräumen, wie zum Beispiel im Einzelhandel:
3fach geimpft, seit 11 Tagen positiv, seit 13 Tagen krank. Ich bin einfach nur noch genervt, kann nichts machen. Duschen ist so anstrengend, dass ich danach direkt wieder ins Bett muss. Und Leute freuen sich, dass sie ohne Maske einkaufen gehen können.Kein Bock mehr.
— Carla Büttner (@CarlaBuettner) April 21, 2022
Nießen fordert zudem, die "eingeschlafene Impfkampagne" wiederzubeleben, so Informationen von BR24. Dies könne erfolgen durch "neue Werbemaßnahmen, Aktionen bei den Hausärzten und die gezielte Ansprache ungeimpfter Personen". Deutschland benötige "einen Paukenschlag, um die Impflücken insbesondere bei älteren Menschen zu schließen", so der Vorsitzende des Berufsverbands der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst laut BR24.
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