Von Günther Grosch
Weinheim. Das Corona-Jahr 2020 war auch für die 388 Mitglieder zählende Lebenshilfe Weinheim eine große Herausforderung. Das betonte Oliver Kümmerle, seit vergangenem Herbst deren Vorsitzender, in seinem ersten Geschäftsbericht im Rahmen der jüngsten Hauptversammlung. Immer wieder neue Verordnungen der Bundes- und Landesregierungen sowie der Behörden stellten auch die Arbeit mit Menschen – gerade jenen aus Risikogruppen – vor hohe Hürden.
Vor diesem Hintergrund dankte Kümmerle allen Mitarbeitern, dem jungen Team in der Verwaltung sowie seiner Vorgängerin Renate Schnelle, "die zu dieser Zeit noch das Steuer in der Hand hielt und das Schiff sicher durch diese schwere Zeit steuerte". Schnelle habe alle Probleme gelöst. Nur auf diese Weise sei die Lebenshilfe ihrem Auftrag auch unter erschwerten Bedingungen gerecht geworden, nämlich körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen zu unterstützen. Dennoch blieben die meisten großen Vorhaben auf der Strecke.
Als einzige Reise im vergangenen Jahr wird nur die Fahrt nach München zum Spiel der Bayern gegen Schalke in Erinnerung bleiben. Das reguläre Kurzprogramm musste Anfang März pandemiebedingt eingestellt werden. Und auch der zaghafte Versuch, das Programm im Oktober wieder aufzunehmen, musste nach nur einem Tag wieder abgebrochen werden.
Was blieb, waren Wochenendveranstaltungen wie die Fahrt zu den Heidelberger "Windlichtern", zur Valentins-Disco der befreundeten Lebenshilfe Wiesloch sowie zu Spielen der SG Leutershausen und der Adler Mannheim. Ab März mussten die Werkstätten und Schulen komplett schließen. Der Unterricht ging im Home-Schooling weiter. Für die Lebenshilfe (sie hat eine Flotte von über 60 Fahrzeugen) und die Schulbegleiter sei das ein "Stich ins Herz" gewesen, so Kümmerle. Die Schüler wurden nicht mehr befördert, die Fahrzeuge standen still.
Die Verhandlungen mit dem Versicherer über ein Aussetzen der Prämien gestalteten sich aber erfolgreich. Darüber hinaus wurde die Zeit des Stillstands für Wartungs- und Reparaturarbeiten genutzt. Und die Schulbegleiter konnten wenigstens teilweise ihrer Aufgabe im häuslichen Umfeld nachgehen. Dazu Kümmerle: "Dieser Teil-Lockdown stellte die Lebenshilfe vor massive Schwierigkeiten, die nur durch die Kurzarbeit für weit mehr als 30 Mitarbeiter, also rund ein Drittel der Belegschaft, bewältigt werden konnten".
Erbschaft entlastet angespannte Finanzlage etwas
Unter hohen Auflagen und Hygienestandards war es im April vereinzelt wieder möglich, Fahrzeuge zur Notbetreuung fahren zu lassen. Ab Juni war dank der Öffnung der Werkstätten die Fahrzeugflotte mit halber Besetzung in Betrieb. Die Rückkehr in den Alltag war zwar nicht einfach, doch waren die Schaffenskraft und Zuversicht ungebrochen. Beweise dafür waren unter anderem die erfolgreiche Abenteuerwoche im September, eine Quiznacht, ein Kinoabend, die "Weihnachtsbäckerei" sowie ein "virtueller Lauf". Abgesagt werden mussten dagegen sämtliche Basare und auch die Nikolausfeier.
Eine "angespannte Finanzlage" und rote Zahlen im Berichtsjahr 2019 bilanzierte Schatzmeister Walter Metz. Eine unverhoffte Zuwendung aus einer Erbschaft in Höhe von 106.000 Euro verschaffte der Lebenshilfe zwar Luft. Dennoch blieb die Ertragslage weiter kritisch, weil die Einnahmequellen aus den Fahrdiensten unter anderem für das Deutsche Rote Kreuz, den Rhein-Neckar-Kreis und die Stadt Weinheim versiegt waren. Um wieder schwarze Zahlen schreiben zu können, wurde die Personalsituation geprüft, die Hälfte der insgesamt 60 Fahrtlinien neu kalkuliert, und auch die Verträge mit den Kostenträgern wurden aktualisiert. Das alles sorgte für etwa 50.000 Euro zusätzlich. Erfreuliche Entwicklungen also zum Ende des Berichtsjahrs.
Metz mahnte aber an, den jährlichen Kraftstoffverbrauch (rund 950.000 Liter) der Fahrzeugflotte im Auge zu behalten. Gerade angesichts der hohen Benzinkosten. Zudem stellt sich Metz darauf ein, dass unter der künftigen Bundesregierung mit einer Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro zu rechnen ist. Es waren auch diese Rahmenbedingungen, die zur Anhebung des Mitgliedsbeitrags von 40 auf 48 Euro beitrugen. Die Versammlung votierte einstimmig für die Anpassung. Ein weiterer Grund dafür war, dass die sowieso schon stark gestiegenen Verbandsbeiträge ab dem kommenden Jahr auch für die 111 Vereinsmitglieder mit Beeinträchtigungen abgeführt werden müssen.
Auch hier sind die Rahmenbedingungen also erschwert, und es ist eine der ersten großen Aufgaben für den neu gewählten Vorstand, die Lebenshilfe stabil auf Kurs zu halten und ihre Geschäftsfähigkeit zu sichern. Dafür setzen sich neben Kümmerle und seinem Stellvertreter Thomas Geißler auch Metz und Schriftführer Heinrich Pfliegensdörfer ein. Mit Mareike Merseburger und Hans-Peter Kempe als Beisitzern stießen, so Kümmerle, "zwei neue engagierte tolle Menschen dazu". Ein absoluter Glücksgriff sei laut Kümmerle auch die Ernennung von Oliver Andres zum Geschäftsführer gewesen. Andres kenne die Lebenshilfe wie kein anderer, so der Vorsitzende.