Von Sabine Hebbelmann
Sandhausen/Rhein-Neckar. Auch für den Verein Kommunale Kriminalprävention war 2020 coronabedingt ein schwieriges Jahr. Dies wurde bei der jüngsten Mitgliederversammlung deutlich. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Stefan Dallinger, Landrat des Rhein-Neckar-Kreises, und den gastgebenden Bürgermeister Hakan Günes bot Geschäftsführerin Tanja Kramper in der Festhalle Sandhausen den Mitgliedern einen Rück- und Ausblick.
Demnach wurden auf der Seite www.digital-bildung-praevention.de die Angebote im Bereich Medienkompetenz und Medienpädagogik gebündelt. Mit Kooperationspartnern der Region hatte der Verein die Online-Veranstaltungsreihe "Uffbasse" auf die Beine gestellt. Zu den Themen gehörten Mediensuchtprävention in Zeiten von Corona, (Cyber-)Stalking, Fake News, Cybermobbing und digitale Bildung.
Die Aktion "Beistehen statt Rumstehen" bringt couragiertes Verhalten in die Öffentlichkeit. Für die Reanimation eines Neunjährigen auf einem Spielplatz wurden zwei medizinische Fachangestellte aus Leimen geehrt. Während andere nur zusahen oder sich sogar lustig machten, rettete ein 16-Jähriger aus Reilingen im Urlaub einen Mann vor dem Ertrinken.
Einbruch, Unfall oder Überfall sind Ereignisse, die Betroffene stark belasten. Mit der Beratungs- und Koordinierungsstelle Psychosoziale Notfallversorgung Rhein-Neckar (kurz: BeKo RN) wurde eine Versorgungslücke in der Region geschlossen. Wie Kramper berichtete, konnte das niedrigschwellige Angebot bis 2023 verlängert werden. Für den Deutschen Präventionstag, der 2023 nach Mannheim kommt, finden schon jetzt Vorbereitungen statt. "Das wird in die Region ausstrahlen", versprach Kramper.
Erwartungsgemäß wurde Landrat Stefan Dallinger erneut zum Ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt. Siegfried Kollmar, Präsident des Polizeipräsidiums Mannheim, folgte als Zweiter Vorsitzender seinem Vorgänger Andreas Stenger nach. Als "Case-Managerin" berichtete Sozialpädagogin Idil Reineke über die Arbeit des Heidelberger Childhood-Hauses. Von sexuellem Missbrauch oder Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche erfahren hier Hilfe und können für das spätere Ermittlungsverfahren notwendige Aussagen und Untersuchungen in einer kinderfreundlichen Umgebung und mit speziell geschultem Fachpersonal wahrnehmen. Trägerin ist die Heidelberger Kinderklinik.
Anzeige müssen Gewaltopfer auch nicht erstatten, bevor sie sich an die Gewaltambulanz des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin der Universität Heidelberg wenden. Vorgestellt wurde das Modellprojekt durch die Ärztliche Direktorin Prof. Kathrin Yen. Sie berichtete, dass die Zahl der Übergriffe auf Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner in Deutschland gestiegen sind. Täter werden häufig nicht überführt, weil die nötigen Beweise fehlen. Verfahrensunabhängig und für die Betroffenen kostenlos werden Untersuchungen durchgeführt, Verletzungen dokumentiert und Spuren gesichert. Es geht um Rechtssicherheit und darum, Klarheit darüber zu schaffen, was passiert ist, machte Prof. Yen deutlich.
Sie erläuterte auch, wie mit dem 3 D-Drucker, für den der Präventionsverein gespendet hatte, Verletzungen modelliert und der Tathergang so besser nachvollzogen werden kann. Oft entscheiden sich Opfer von sexueller Gewalt erst nach einiger Zeit, Anzeige zu erstatten, berichtete Prof. Yen und ergänzte: "Dann sind meist keine Verletzungen mehr zu sehen." Betroffenen riet sie, schnell zu handeln.
Finanziert durch das Land führt die Gewaltambulanz mehr als 500 Untersuchungen pro Jahr durch. Oft geht es um Sorgerechtsstreitigkeiten, besonders häufig betroffen sind Kinder. Intensiv genutzt wird der Lotsenservice "Guide4You". Eine Lotsin nimmt die betroffene Person an die Hand, lotst sie durch die städtischen Hilfssysteme und wenn nötig auch zum Gericht. Das Angebot soll keine Heidelberger Spezialität bleiben, betonte Prof. Yen. In Freiburg und Ulm sind entsprechende Einrichtungen in der Entstehung, eine weitere ist am Klinikum Stuttgart geplant. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat sich Deutschland verpflichtet, die anzeigenunabhängige Spurensicherung flächendeckend zu gewährleisten. Seit Januar besteht ein Rechtsanspruch auf forensische Beweissicherung.
Prof. Yen stellte auch das Projekt ARMED vor. Die untersuchenden Kinderärzte an den Pilotstandorten tragen während der Untersuchung Datenbrillen, die die erhobenen Befunde an Experten aus der Rechtsmedizin übermitteln.
Fälle von Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch sollen dadurch möglichst frühzeitig und sicher erkannt werden. Mittelfristig soll das Projekt dazu beitragen, die an vielen Orten fehlende rechtsmedizinische Versorgung für Gewaltopfer in Baden-Württemberg zu verbessern.