Von Achim Wittich
München. Schlauchboot fahren macht Spaß – im Schlauchboot kentern weniger. Wer in der Heimspielstätte des FC Bayern – aufgrund der Stilistik gerne als solches bezeichnet – einen oder gar drei Punkte erpaddeln will, der muss entweder besonders kräftig sein oder aber einen Tag erwischen, an dem die Mia-san-Mia-Burschen des Dauermeisters ausnahmsweise mal schwächeln. Beides war am Samstag in der Allianz Arena nicht der Fall. Die Spieler der TSG Hoffenheim hatten viel zu viel Pudding in den Beinen, um Fahrt aufzunehmen. Die Münchner hatten dafür nach dem 4:0 in Lissabon genug Kraft und Lust, um den nächsten Viererpack zu schnüren. Am Ende gingen sie mit einem standesgemäßen 4:0 (2:0) an Land. Es war ein ziemlicher alltäglicher Fußballnachmittag im Münchner Norden, an dem Joshua Kimmichs Nichtimpfbeichte (siehe unten) noch für den größten Diskussionsstoff sorgte.
Vielleicht hatten sich die Kraichgauer vorher zwei Jahre zurückversetzt. Am 1. Oktober 2019 verdarb die Mannschaft des damaligen TSG-Trainers Alfred Schreuder mit einem 2:1-Coup den Neuers, Lewandoskis und Co. die Oktoberfeststimmung. Ein Grund für die Sensation: Unter der Woche hatten der Welttorhüter und der Weltfußballer in der Champions League bei den Tottenham Hotspurs mal eben mit 7:2 triumphiert – und vier Tage später nicht so wirklich viel Lust auf tristen Bundesligaalltag. "Hoffe" kam, sah und siegte. Auf ein Neues!
Doch diesmal kam für 1899 erschwerend hinzu, dass das bajuwarische Starensemble dem ehemaligen Hoffenheimer Julian Nagelsmann in den Tagen seiner Corona-Infektion nicht auch noch eine zweite Heimpleite in Serie zumuten wollte. Zur Erinnerung: Zuletzt hatten die Münchner von Eintracht Frankfurt in der WM-Spielstätte ein 1:2 kassiert.
Also hätte Lewandowski nach 1:55 Minuten bereits das 1:0 erzielen müssen. Eine solche Chance lässt sich der Pole normalerweise nicht entgehen. Dann traf Serge Gnabry (8.), doch der Videobeweis bewahrte Hoffenheim noch vor dem Rückstand. Gnabrys zweiter Versuch war dann regulär (16.) und die Dinge nahmen ihren Lauf. Thomas Müller kochte Chris Richards einmal so richtig ab und legte für Lewandowski auf – ein Traumschuss und ein Traumtor des Torgiganten waren das Ergebnis dieser Vorarbeit (30.).
Und Hoffenheim? "Totale Überzeugung und Mut" hatte deren Trainer Sebastian Hoeneß am Donnerstag eingefordert. Doch davon war viel zu wenig zu sehen. Immer ein Schritt zu spät, im Mittelfeld immer in Unterzahl, hechelten seine Schäflein der davonstürmenden Bayern-Herde hinterher. "Wir wollten couragierter auftreten, haben aber keinen Zugriff bekommen", musste der gebürtige Münchner in der Heimat eingestehen. Nach der Pause änderte sich das Geschehen auf dem Rasen, sein Team konnte mehr Störfeuer entfachen und sich sogar die ein oder andere Möglichkeit erarbeiten. Doch das lag in erster Linie daran, dass die Rot-Weißen zum Teil mehr als einen Fuß vom Gaspedal nahmen und nicht mehr voll bei der Sache waren. Dino Toppmöller, zum zweiten Mal erfolgreicher Vertreter von Nagelsmann, kam auf der Pressekonferenz bei der Frage zum Kimmich-Outing mehr in Bedrängnis, als bei der Spielanalyse. "Danach hatten wir ein wenig den Leerlauf drinnen", urteilte er nach den starken 30 Anfangsminuten – und konnte locker hinzufügen: "Erst hinten raus wurde es wieder besser."
Das kann man wohl sagen. Ein Querschläger-Geschenk des völlig indisponierten Andrej Kramaric verwertete der eingewechselte Erik Maxim Choupo-Moting zum 3:0 (82.), dann durfte der ebenfalls eingewechselte Kingsley Coman für den Endstand sorgen (87.). Glück für die TSG, dass Lewandowski für seine Verhältnisse noch schlecht gestimmt war und sein Torkonto (10 Treffer) fahrlässig nicht noch weiter in die Höhe schraubte.
Sebastian Hoeneß aber dürfte beim Treffen mit Vater Dieter und Onkel Uli Zuspruch gut getan haben. Eine positive Weiterentwicklung jedenfalls ist im Oktober 2021 nach neun Spieltagen der Saison bei "Hoffe" nicht ersichtlich.
Diese Bayern sind zwar der Konkurrenz weit enteilt: Doch im Schlauchboot war die TSG Hoffenheim wieder einmal nicht hochseetüchtig.