Dass einer der beiden Stamm-Innenverteidiger gehen wird, war klar. Aber beide? Für manche Madridistas ist der GAU eingetreten, zumal Real Madrid nach Raphaël Varanes Abgang nicht nochmal auf dem Transfermarkt tätig werden will. Theoretisch ist man nominell weiter gut aufgestellt: Éder Militão, Nacho Fernández und Neuzugang David Alaba dürften sich um die beiden Plätze unter Carlo Ancelotti streiten, als Backups gäbe es nicht nur Castilla-Abwehrchef Víctor Chust, sondern auch Rückkehrer Jesús Vallejo, allerdings könnte auch der 24-Jährige im Falle eines guten Angebots noch gehen. Zwei wichtige Abwehrsäulen verloren, aber mit vier statt fünf Innenverteidigern in die neue Saison gehen? An sich klingt das okay, und doch ist es ein Spiel mit dem Feuer.
Zwar erlebten sowohl Militão als auch Nacho 2020/21 ihre bislang beste Saison in Madrid, aber auch sie hatten teilweise mit Problemen zu kämpfen – mal Blessuren, mal Corona. Und Alaba? Kontinuität hatte er, jedoch verlief seine vergangene Spielzeit aus persönlicher Sicht eher überschaubar. Dazu hat das erste Testspiel gegen die Rangers (1:2) offenbart, dass noch viel Abwehrarbeit vor Ancelotti liegt: Zu viel Unordnung, zu wenig Abstimmung zeigte sich in der Viererkette, in der allerdings mit Nacho auch nur ein nomineller Stamm-Verteidiger spielte – aber auch der erfahrene Madridista konnte seine Kollegen nicht sortieren, sodass die Blancos gegen den schottischen Meister phasenweise hergespielt wurden.
Auch Ramos und Varane befanden sich sowohl spielerisch als auch physisch nicht immer auf Top-Niveau, und doch gleicht es einer Herkulesaufgabe, die Viererkette neu aufzustellen. Aus dem Spiel mit dem Feuer kann durchaus auch etwas neues entstehen, Alaba so ohne Ramos‘ „Konkurrenz“ schnell zum neuen Abwehrchef aufsteigen, und auch Casemiro oder Ferland Mendy (in einer möglichen Dreierkette) könnten mal aushelfen, sollte der königliche Ausfall-Fluch weiter gehen wie bisher. Eigentlich wurde ein neuer Verteidiger schon vor zwei Jahren verpflichtet: Militãos Zeit ist spätestens jetzt gekommen!
Ancelotti stehen in der Theorie also genügend Werkzeuge zur Verfügung. Und auch wenn diese Abwehr nominell nicht unbedingt nach Champions-League-Finale riecht, so sollte es für den nationalen Vergleich allemal reichen – Barcelonas Abwehr bleibt die Achillesferse der Katalanen, Atlético befindet sich jetzt in der ungewohnten Rolle des Gejagten (in der Abwehr gab es zudem keine Veränderungen), einzig Sevilla könnte sich nach Sergi Gómez‘ Abgang und durch die mögliche Verpflichtung von Jérôme Boateng als Backup für Jules Koundé und Diego Carlos noch verstärken und verbessern.
Meine Meinung: Keinen weiteren Abwehr-Transfer zu tätigen, ist gefährlich, aber anhand dreier Gründe nachvollziehbar – man hat (1.) fünf Verteidiger und muss (2.) einerseits sparen aufgrund der generell finanziell schwierigen Situation und (3.) andererseits muss man sparen für eine andere Position, einen anderen Spieler: Kylian Mbappé. Sollte in diesem Sommer Mbappé doch noch kommen und Varane dafür „geopfert“ worden sein, könnte ich mit Varanes für alle drei Parteien verständlichen Wechsel noch mehr leben.