Von Sabrina Lehr
Dossenheim. Rund acht Monate lang wurde in der Theodor-Heuss-Straße die mobile Zukunft erprobt. Im Rahmen des Projekts "Netzlabore Netzintegration Elektromobilität – Intelligentes Heimladen" testete der Stromversorger Netze BW seit Juni, wie sich Elektroautos auf den örtlichen Stromkreis auswirken. Konkret: Wie mit der steigenden Anzahl von E-Autos eine mögliche Überlastung des Stromnetzes verhindert werden kann. Denn diese Autos werden mit Strom betankt, was wahlweise an einer öffentlichen Ladestation oder über den häuslichen Stromkreis geschieht. Nun ist der Test vorbei – und hat positive wie negative Erkenntnisse zu Tage gefördert.
> Die Ausgangslage: "Die Zulassungen von E-Autos steigen seit einigen Jahren stetig an", erklärt Sven Zahorka, Projektleiter beim Netzlabor. Das Problem: "Das Niederspannungsnetz wurde geplant, als E-Mobilität noch nicht relevant war", so Zahorka. Das Aufladen von E-Autos belaste den Stromkreis jedoch um ein Vielfaches mehr und länger als große Stromverbraucher wie Herd oder Waschmaschine. Entsprechend steht das Stromnetz vor Herausforderungen. Der Netzbetreiber sucht nun nach Möglichkeiten, um Engpässe im örtlichen Stromnetz durch E-Autos zu verhindern. Eine davon ist das sogenannte intelligente Lademanagement, das in Dossenheim erprobt wurde.
> Das Ziel: "Wie und über welche Systeme ist ein intelligentes Lademanagement möglich?", formuliert Zahorka die zentrale Frage des Tests, der neben Dossenheim in vier weiteren Orten in Baden-Württemberg durchgeführt wird. Zudem geht es dem Netzbetreiber darum, Erfahrungen unter Realbedingungen zu sammeln: "Wie lange laden die Kunden ihr Auto? Wann laden sie es? Wie ist die Akzeptanz gegenüber einer Steuerung des Ladesystems?", seien Fragen, die außerdem auf dem Zettel der Projektleitung standen. Und natürlich: Wie kann die Mobilitätswende vorbereitet werden?
> Der Test wurde mit sieben Dossenheimer Haushalten durchgeführt, die je mit einem E-Auto und einer "Wallbox" samt Mess- und Steuerungssystem ausgestattet wurden. Unter "Wallboxen" versteht man Wandladestationen für E-Autos, die in der Regel mit einer eigenen Leitung an den häuslichen Stromkreis angeschlossen sind. Dabei wurde beobachtet, wie und wann die Fahrzeuge geladen werden und wie der Stromkreis auf die Belastung reagiert. Dann griff der Netzbetreiber aktiv ein – und zwar indem er die Ladeleistung der Wallbox-Leitungen zu verschiedenen Tageszeiten verringerte.
"Wir haben zum Beispiel einen Fahrplan geschaltet, der in den Abendstunden die maximale Ladeleistung auf 50 Prozent reduziert", so Zahorka. Dadurch laden die Fahrzeuge länger – für das Stromnetz wird jedoch die Belastung verteilt und es kommt zu einer "Glättung von Lastspitzen". Auch ein Stresstest stand auf dem Programm. "Da haben wir allen Teilnehmern Bescheid gegeben, ihre Autos zur gleichen Zeit zu laden", erläutert der Projektleiter. Rückmeldungen der Teilnehmer seien regelmäßig über Fragebögen eingeholt worden.
> Die Erkenntnisse: Abgesehen vom Stresstest luden nie mehr als vier Teilnehmer gleichzeitig ihr Auto auf – am häufigsten jeweils zwischen 16 und 0 Uhr. "Das hat unsere Erwartungen weitgehend bestätigt", so Zahorka. Was die Rückmeldung der Probanden angeht, gab rund die Hälfte in den Fragebögen an, die Reduktion der Ladeleistung, also das Lademanagement, nicht bemerkt zu haben. Die andere Hälfte nahm dies anhand der verlängerten Ladezeit des E-Autos wahr. Im Nutzungsverhalten eingeschränkt fühlte sich laut Netze BW keiner der Probanden. Und auch während des Stresstests sei es zu keinen negativen Erfahrungen gekommen. Das Stromnetz hielt Stand. "Bei 14 gleichzeitig ladenden Fahrzeugen wäre aber die Belastungsgrenze erreicht", so Zahorka.
> Das Fazit: "Wir haben erkennen können, was für ein Potenzial hinter dem Lademanagement steht", so Zahorka. Durch die Steuerung der Ladeleistung durch den Netzbetreiber könnten kritische Belastungen des Stromnetzes vermieden werden. Auf die Stromnetz-Infrastruktur übertragen bedeutet das: Mit intelligenter Ladesteuerung sind momentan pro Stromkreis mehr E-Autos möglich. Was für die Zukunft wiederum einen Zeitgewinn bedeutet: Denn zwar sei ein Leitungsausbau erforderlich, um das Stromnetz fit für die neuen Herausforderungen zu machen. "Für eine langfristige Netzverstärkung können wir jedoch nicht überall gleichzeitig das Netz weiter ausbauen", stellt Zahorka klar.
> Und was bedeutet das für Dossenheim? Zumindest die E-affinen Bewohner der Theodor-Heuss-Straße können sich freuen: "Der Stromkreis ist gut für die E-Mobilität gewappnet", sagt Sven Zahorka. Außerdem könnten in der ehemaligen Steinbrechergemeinde bald einige E-Autos mehr umherfahren: Denn die Fahrzeuge aus dem Test mussten die Teilnehmer zwar zurückgeben. Die Wallboxen konnten aber zu einem Restbetrag von der Netze BW übernommen werden. Daran haben laut Zahorka bisher sechs der sieben Teilnehmer ihr Interesse bekundet.