Aktivisten aus Myanmar haben eine Kampagne gestartet, die vermeintliche Kinder der Junta im Ausland öffentlich anprangert. Sie wollen so Druck auf das Militärregime ausüben. Doch die Aktion weckt bei einigen auch ethische Zweifel.
Susu San steht allein vor einem Krankenhaus in Mackay in Australien und hält ein Schild hoch. Sie fordert die Freilassung von Aung San Suu Kyi, die seit dem Putsch unter Hausarrest steht.
"Sie denken, sie seien unantastbar", sagt Susu San, die 1.500 Kilometer von der Nordspitze Queenslands zum Arbeitsplatz eines der "Junta-Kinder" in einem Krankenhaus in der Kleinstadt Mackay gereist war.
"Dies ist ein Weg, unser Volk zu stärken, indem wir sagen, dass niemand der Gesetzlosigkeit und Brutalität entkommen kann."
Seit dem Putsch haben einige Demonstranten eine Onlinekampagne gestartet, um Familienmitglieder und Verbündete der Militärjunta in Myanmar und darüber hinaus anzuprangern – und diejenigen ins Rampenlicht zu rücken, die bequem in demokratischen Nationen weit weg vom blutigen Chaos zu Hause leben.
Die Organisatoren der Kampagne sagen, dass dies ein gewaltfreier Weg sei, um Druck auf die Junta auszuüben, den Coup rückgängig zu machen und Myanmar zur Demokratie zurückzuführen.
"Das Militär versteht nur eine Sprache. Das ist Druck", sagte Tun Aung Shwe, ein Mitglied der burmesischen Gemeinschaft in Australien. Er gehört zu einer Gruppe, die nach Canberra gereist ist, um die Regierung zu drängen, Personen, die mit der Junta in Verbindung stehen, zu sanktionieren.
"Soziale Bestrafung ist effektiv, da sie die Junta aufrüttelt und sie dazu bringt, ihre Handlungen zu überdenken." Neben der Zurschaustellung von Freunden, Bekannten und Verwandten der Junta in den sozialen Medien haben die Aktivisten auch eine Webseite eingerichtet, deren Informationen auf Facebook weit verbreitet wurden.
Die Webseite enthält mehr als 120 Profile von Personen, die beschuldigt werden, sich nicht gegen einen Coup ausgesprochen zu haben, der zehn Jahre demokratischer Reformen gestoppt und blutige Unterdrückung gebracht hat.
Die Seite stuft Profile auf einer "Verräter"-Skala von Elite bis niedrig ein. Es gibt Fotos der Person, Details über deren Verbindungen und den Aufenthaltsort, was es für Burmesen leicht macht, sie aufzuspüren.
Ethische Bedenken
Dennoch hat die Kampagne gegen die Kinder der Junta bei einigen Teilnehmern die Frage aufgeworfen, ob es ethisch vertretbar ist, Menschen online wegen der Taten ihrer Eltern anzuprangern. Die Wut über Massenverhaftungen und Tötungen während der Anti-Coup-Proteste überwog diese Bedenken, sagten die Aktivisten.
In Australien setzen sich einige Mitglieder der burmesischen Gemeinschaft dafür ein, dass die Regierung die Kinder von Mitgliedern der Junta sanktioniert, indem sie deren Vermögen einfriert oder deren Visum widerruft. Bei einigen Personen wurden persönliche Informationen, Telefonnummern, Arbeitsorte und Vororte, in denen sie leben, online veröffentlicht.
Die Kampagne, die Junta zu beschämen, ist eine Erweiterung einer breiteren Kampagne, die darauf abzielt, vom Militär geführte Unternehmen zu boykottieren und Personen zu isolieren, die den Putsch unterstützen. Diese breitere Kampagne, die von der Protestbewegung inspiriert wurde, hat vier Säulen: "Verkaufe nichts an sie", "Kaufe nichts von ihnen", "Verbinde dich nicht mit ihnen" und "Wir werden nie vergessen".
Amara Thiha, ein Myanmar-Stipendiat des in den USA ansässigen Thinktanks Stimson Center, warnte, dass es Anzeichen dafür gibt, dass sich die Verfolgung von Einzelpersonen im Internet als kontraproduktiv erweisen könnte. Er stellte fest, dass die Sprache und die Drohungen der Soldaten und deren Unterstützer in den sozialen Medien härter werden, je mehr Druck auf sie ausgeübt wird.
Bryan Tun, der Sohn von Pwint San, dem Handelsminister von Myanmar, arbeitet ebenfalls als Arzt in Australien. Obwohl er nicht auf der Webseite aufgeführt ist, sagte Tun, dass er in den sozialen Medien beschimpft wurde, obwohl er ein langjähriger Unterstützer von Suu Kyis Partei ist, Botschaften zur Unterstützung der Protestbewegung postet und politisch nicht mit seinem Vater übereinstimmt.
"Ich habe ihn an den Pranger gestellt, seit diese Sache passiert ist. Ich habe offen gegen ihn protestiert", erklärte Tun, der als Arzt im Redland Hospital in Queensland arbeitet.
Eine der ersten, die online angegriffen wurde, war Nan Lin Lae Oo, eine Studentin, die in der sozialen Strafkampagne als Tochter von Generalleutnant Kyaw Swar Lin identifiziert wurde. Sie wurde als "Tochter eines Mörders" tituliert, Bilder von ihr wurden auf dem Campus der Tōyō-Universität in Tokio, wo sie studiert, aufgehängt. Aktivisten haben die Universität aufgefordert, sie von der Universität zu verweisen.
Susu San kämpfte mit der ethischen Herausforderung, "Junta-Kinder", wie sie sie nennt, ins Visier zu nehmen, entschied aber letztendlich, dass es ihrer Meinung nach "fair" war, angesichts der Anzahl von Burmesen, die auf der Straße erschossen werden.
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(de/reuters)