Buchen. (rüb) Fast 40 Jahre lang währte die für die Patienten so segensreiche Kombination aus urologischer Praxis und urologischer Belegabteilung am Krankenhaus. Für Operationen müssen die Patienten künftig aber Fahrten nach Bad Mergentheim, Eberbach oder Würzburg in Kauf nehmen, denn die Belegabteilung am Krankenhaus wird – sofern sich nicht doch noch ein Nachfolger findet – am 30. April Geschichte sein. Der Grund: Dr. Tilo Strittmatter scheidet aus der urologischen Gemeinschaftspraxis mit Dr. Peter Breitling aus.
Praxis und Belegabteilung waren 1982 von Dr. Blass gegründet worden. Ab 1984 führte Blass die Praxis gemeinsam mit Dr. Evangelos Kalogirou erfolgreich weiter. Dr. Tilo Strittmatter stieß im Dezember 2001 dazu und leitete gemeinsam mit Dr. Kalogirou Praxis und Belegabteilung. Mitte 2009 übernahm Dr. Breitling den Kassenarztsitz von Dr. Kalogirou. Nachdem Breitling zum 30. Juni 2020 die Belegarzttätigkeit am Krankenhaus aufgegeben hatte, führte Dr. Strittmatter die Belegabteilung alleine weiter – bis er diese Tätigkeit und die Arbeit in der Gemeinschaftspraxis nun in Kürze aufgibt.
"Gerade die letzten Monate als alleiniger Verantwortlicher in der Belegabteilung waren nicht einfach", betont Dr. Strittmatter und lobt zugleich die bemerkenswerte Unterstützung durch die Mitarbeiter des Krankenhauses und das OP-Team: "Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit: Die Bereitschaft, mir zu helfen, war immer da!"
Eigentlich wollte er sich erst im kommenden Jahr zur Ruhe setzen – doch nun habe sich bereits vorzeitig der Abschied angeboten, so der aus Überlingen am Bodensee stammende Urologe, der zufrieden und stolz auf ein erfülltes Berufsleben zurückblickt, das er zu mehr als der Hälfte in Buchen verbracht hat, wo er und seine Frau Gabriele eine neue Heimat gefunden haben.
Tilo Strittmatter wurde am 15. April 1956 in Überlingen geboren. Auf Abitur und Bundeswehrzeit folgte eine Ausbildung zum Physiotherapeuten, der sich von 1980 bis 1986 ein Studium der Humanmedizin an der Universität Ulm anschloss. Seit 1991 ist er Facharzt für Urologie, seit 2001 hat er zudem die Anerkennung in spezieller urologischer Chirurgie. Dr. Strittmatter hat ferner Ausbildungen in Kinderurologie und Mikrochirurgie.
Sein berufliches Wirken führte den Urologen zunächst an den Niederrhein, wo er 16 Jahre an verschiedenen Kliniken in Mönchengladbach wirkte, zuletzt als Leitender Oberarzt an der Urologischen Klinik St. Franziskushaus.
Aufgrund der Größe der Klinik waren die Patienten dort für die Ärzte in vielen Fällen nur noch Nummern: "Ich kannte meine Patienten nicht mehr." An dieser für ihn unbefriedigenden Situation wollte Dr. Strittmatter etwas ändern. "Wir sind damals durch ganz Deutschland gefahren und haben uns Chefarztstellen angeschaut", erinnert sich Gabriele Strittmatter. An der grundsätzlichen Problematik hätte sich für ihn da wohl nichts oder nur wenig geändert.
Deshalb endete diese Suche eines Tages in Buchen: Die Kombination, als niedergelassener Arzt in der eigenen Praxis zu arbeiten und gleichzeitig als Belegarzt operieren und die Patienten nach dem Eingriff weiter betreuen zu können, wurde dann zur perfekten Lösung für Dr. Strittmatter, der von sich selbst sagt: "Ich bin mit Leidenschaft Urologe und mit der gleichen Leidenschaft operativ tätig." Deshalb gilt für ihn: "Wenn ich mir die kurzen Wege zwischen Praxis und Klinik anschaue, dann ist für mich klar: Besser als hier in Buchen kann man es als Urologe nicht haben!"
In den 20 Jahren ist ihm die Praxis, sind ihm die Patienten ans Herz gewachsen. "Viele begleiten wir hier über einen langen Zeitraum, manche Familien sogar über Generationen", berichtet Dr. Strittmatter: Vom Großvater über den Sohn bis hin zum Enkelkind.
Zumindest sprachlich war der Start im Odenwald für den 64-Jährigen aber gar nicht so einfach, wie er lächelnd erzählt: Überlingen war früher badisch, da sollte der nordbadische Dialekt für ihn kein Problem sein, habe er sich gedacht. Doch weit gefehlt: "Hier spricht man Fränkisch, und ich habe zunächst kein Wort verstanden!"
Doch die Anpassungsprobleme gingen schnell vorüber. Denn der Arzt und seine Frau hatten sich sofort in die Region verliebt. "Wir haben hier eine hohe Lebensqualität, eine traumhafte Natur, es ist alles vorhanden, was man braucht, und größere Städte wie Heidelberg oder Würzburg sind schnell erreichbar", bestätigt Gabriele Strittmatter. Deshalb haben sich die beiden auch dafür entschieden, ihren Ruhestand hier zu verbringen und nicht in seiner (Bodensee) oder ihrer (Berlin) Heimat: Vor einigen Jahren haben sie sich in Hettingen ein Haus gebaut. Dort seien sie vor 20 Jahren mit offenen Armen empfangen worden, und dort bringen sie sich auch ins dörfliche Leben engagiert mit ein: "Wenn du aufs Land ziehst, musst du es auch wollen und darfst dich nicht abkapseln", weiß der Mediziner.
Pläne für den Ruhestand haben die Strittmatters einige: Gemeinsame Hobbys sind das Restaurieren alter Fahrzeuge und das Motorradfahren. Auch für das Reisen – wenn es denn wieder möglich ist – und die Natur werden sie sich Zeit nehmen. Zeit, die im anstrengenden Alltag zwischen Praxis und Klinik häufig fehlte.
Auf dieses Mehr an Zeit freut sich der scheidende Urologe. Gleichzeitig weiß er, dass ihm seine Patienten und der für beide Seiten gewinnbringende Austausch ebenso wie die täglichen Herausforderungen des Berufs und die Kollegen fehlen werden.
Möglicherweise wird sich Dr. Strittmatter auch nicht komplett zur Ruhe setzen: Wenn die Kliniken oder ein möglicher Nachfolger dort rufen, wird er wohl nicht nein sagen. "Wenn ich eines Tages als Patient komme, möchte ich schließlich auch wohnortnah versorgt werden!" Eine komplette Schließung der Abteilung würde er sehr bedauern: "Das wäre ein Verlust für die Kliniken, für Buchen, für die Region. Die Urologie gehört einfach zur Grundversorgung."