Neckarsulm. (RNZ) Rund zwei Wochen nach dem Bekanntwerden der drohenden Insolvenz der Bremer Greensill Bank AG herrscht nun Klarheit: Das von der "BaFin" verhängte Moratorium endet im Insolvenzantrag der "Greensill"-Bank. Für die betroffenen Kommunen ist das ein harter Schlag.
Alle in Baden-Württemberg betroffenen Kommunen (Bad Dürrheim, Bötzingen, Heidenheim, Hüfingen, Mengen, Neckarsulm, Sachsenheim und Weissach) haben früh den Schulterschluss gesucht und sich vernetzt. Die Rathauschefs wählten Bürgermeister Daniel Töpfer aus Weissach zu deren Sprecher. Er übernimmt ab sofort die Koordination der weiteren Schritte auf Bundesebene: "Ich freue mich über das entgegengebrachte Vertrauen, als Sprecher der betroffenen Kommunen agieren zu dürfen. Diese Bündelung ermöglicht uns neben einem zügigen Informationsfluss auch einen bundesweiten Austausch zur rechtlichen Vertretung unserer baden-württembergischen Interessen und damit verbundener Schadensersatzmöglichkeiten."
Von großer Bedeutung ist ein schnelles und zielgerichtetes Vorgehen im nun beginnenden Insolvenzverfahren. "Wir werden alle geeigneten Rechtsmittel einlegen und Schadensersatzansprüche gegenüber der ,Greensill‘-Bank, deren Wirtschaftsprüfer, der Rating-Agentur und den für die Kommunen tätigen Anlagevermittlern prüfen", erklärte Neckarsulms Oberbürgermeister Steffen Hertwig. Die Große Kreisstadt hat bei der "Greensill"-Bank fünf Millionen Euro in zwei Tranchen angelegt: zu 0,04 Prozent mit einer Laufzeit von fünf Monaten und zu 0,1 Prozent mit einer Laufzeit von acht Monaten. "Schon allein die Höhe der Verzinsung zeigt, dass es hier nicht um Rendite ging, sondern darum, Negativzinsen zu Lasten des städtischen Haushalts zu vermeiden", unterstreicht Hertwig.
Bereits am Montag kamen im gemeinsamen Austausch rund 30 der bundesweit betroffenen Kommunen zusammen. Sie repräsentieren zusammen eine Gesamteinlage bei der "Greensill Bank AG" von mehr als 300 Millionen Euro. Die Städte und Gemeinden prüfen bereits intensiv, wie sie die angelegten Finanzmittel ganz oder teilweise zurückbekommen können. "Wir sind alle gleichermaßen von der Schließung betroffen", stellt Hertwig fest. "Daher ist es richtig, dass sich die geschädigten Kommunen zusammenschließen und gemeinsame rechtliche Schritte unternehmen."
Seit die "BaFin" am 3. März gegenüber der überschuldeten Bremer Bank ein Moratorium verhängt hat, sind die dort getätigten Geldanlagen von rund 50 Kommunen aus ganz Deutschland gesperrt. Private Einlagen sind durch den Entschädigungsfonds geschützt. Die Gelder der öffentlichen Hand hingegen unterliegen seit 2017 nicht mehr der Einlagensicherung. Ein Verschulden bei den eigenen Mitarbeitern sehen die Verwaltungschefs nicht. Auch die Anlagen der Stadt Neckarsulm seien nach den kommunalwirtschaftlichen Vorgaben getätigt worden und entsprachen den geltenden städtischen Geldanlage-Richtlinien.
Noch dazu war die "Greensill"-Bank zum Zeitpunkt der Anlagentätigung mit dem Rating "A minus" versehen und lag somit in keiner Weise im spekulativen Bereich. Bedenken oder Hinweise von den Anlagevermittlern kamen keine, die Schließung der Bank sei nicht vorhersehbar gewesen, sagt Hertwig. "Sehr fraglich", wie es in einer Pressemitteilung aus dem Neckarsulmer Rathaus heißt, "scheint hingegen das Agieren der ,BaFin‘", da es nach einem Prüfungsausschuss bereits vor einem Jahr Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der "Greensill Bank AG" gegeben haben soll, die jedoch erst im März 2021 öffentlich wurden.
Im Falle der Stadt Neckarsulm würde ein eventueller Ausfall der Geldanlage den Haushalt 2021 nicht gefährden, wie sich an der Entwicklung des ordentlichen Ergebnisses erkennen lässt. Nach einem ordentlichen Ergebnis von 27,2 Millionen Euro im Jahr 2019, als der erste doppische Haushalt vorgelegt wurde, und einem vorläufigen Ergebnis von rund sechs Millionen Euro für das Jahr 2020 plant die Stadt für 2021 mit einem Minus von knapp zwei Millionen Euro.
Da der laufende Finanzmittelbestand der Stadt derzeit bei mehr als 100 Millionen Euro liege, werde ein eventueller Ausfall auch keine Auswirkungen auf die finanzielle Liquidität im Jahr 2021 haben, heißt es weiter. Das Geld werde allerdings mittel- bis langfristig für geplante Investitionen fehlen. Wie sich die Rechnungsergebnisse bis dahin entwickeln werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt, nicht nur wegen Corona, nicht vorhersagen.
Bei der Anlage von Finanzmitteln stünden liquide Kommunen wie die Stadt Neckarsulm vor einem Dilemma. Einerseits gelte es, Negativzinsen auf Einlagen zu vermeiden. Andererseits werde eine größtmögliche Einlagensicherung angestrebt. "Beide Ziele sind nicht miteinander vereinbar." Öffentliche Geldinstitute nehmen Finanzeinlagen von Kommunen seit geraumer Zeit nicht mehr entgegen. Auf der anderen Seite sind solche Einlagen von Kommunen als institutionelle Anleger bei Privatbanken seit einigen Jahren nicht mehr gesichert.