Künftig sollen Großkonzerne in der Europäischen Union (EU) Umsätze, Gewinne und Steuerzahlungen in dem Land offenlegen, in dem sie sie verbuchen. So hat es die Mehrheit im EU-Rat beschlossen (mit 17 Stimmen pro, acht dagegen und zwei neutralen Stimmen, darunter Lettland und Deutschland). Das Verschieben von Gewinnen in Niedrigsteueroasen wie etwa Irland oder Holland soll damit erschwert werden. Die EU-Wirtschaftsminister wollen mit dem sogenannten Country-by-Country-Reporting Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro Steuervergünstigungen erschweren. Zusätzlich sollen sie ausweisen müssen, wie viel Steuern sie insgesamt außerhalb der EU bezahlen. Die EU-Abgeordnete und Berichterstatterin im EU-Parlament, Evelyn Regner, sagte RT DE:
"Seit fünf Jahren wird das Gesetzesvorhaben blockiert und uns entgehen jedes Jahr Hunderte Millionen an Einnahmen. Wir benötigen diese fehlenden Steuerabgaben in Milliardenhöhe dringender denn je, um Krankenhäuser, Schulen und Forschungszentren in ganz Europa besser auszustatten."
Bisher hat die deutsche Bundesregierung das Vorhaben blockiert. Der Europaabgeordnete und finanzpolitische Sprecher der Grünen, Sven Giegold, sagte dem Handelsblatt: "Es erhöht die Aussagekraft der Bilanz, wenn die Investoren sehen könnten, wo genau die Gewinne erzielt werden."
Deutschland hat sich der Stimme enthalten, Österreich hat sich für den Gesetzesvorschlag ausgesprochen. Deutsche Konzerne sind gegen das Vorhaben. Sie sehen sich dadurch an den Pranger gestellt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat dem Bundesfinanzministerium bereits einen Brandbrief geschrieben. Auch die Stiftung Familienunternehmen hat sich mit einem Gutachten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) munitioniert.
Aus Sicht der deutschen Wirtschaft hätte eine Veröffentlichung von länderbezogenen Gewinnen und Steuern schwerwiegende Konsequenzen. Beispielsweise könnten Wettbewerber insbesondere aus China die Daten nutzen, um die Profitabilität ihrer Wettbewerber zu analysieren und die Konkurrenz anschließend aus dem Markt zu drängen. Eine Veröffentlichung der Daten würde mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen für deutsche und europäische Unternehmen einhergehen, warnte der BDI.
Der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU), finanzpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, erwartet, dass die neue Regelung frühestens im nächsten Jahr umgesetzt werden wird. Zum Handelsblatt sagte er:
"Wir sind prinzipiell dafür. Allerdings darf durch eine Veröffentlichung von Finanzdaten nicht der Wettbewerb mit außereuropäischen Konkurrenten verzerrt werden."
Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat nach langem Zögern mit einer Billigung des Vorhabens hingegen einen Meilenstein erreicht und wünscht sich mehr Steuertransparenz und -fairness in der EU. Auch der grüne Finanzpolitiker Giegold sieht einen Durchbruch in Sachen Steuergerechtigkeit:
"Mit dieser Transparenz pro Geschäftsland wird das Verschieben von Gewinnen in Steueroasen massiv erschwert."
Seit 2016 tauschen Finanzbehörden weltweit Steuerdaten gegen Steuertricksereien aus. Nun soll auch in der EU, wo es immer noch erhebliche Steuerunterschiede gerade bei Firmensteuern im zweistelligen Prozentbereich gibt, der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Der Druck auf die Großkonzerne wächst.
Ende 2019 war auf EU-Ebene eine Offenlegungspflicht für Konzerne gescheitert. Im Europaparlament gab es aber schon früh Zustimmung für eine länderbezogene Steuerberichterstattung, insbesondere von den großen Fraktionen wie der konservativen EVP, den Sozialdemokraten, den Liberalen und den Grünen.
Dabei würden nicht nur die Konzerne, sondern auch jene Länder an den Pranger gestellt, die Profite aus den Steuerverschiebungen schlagen. Dann können Großunternehmen Gewinne nicht mehr nur in Steueroasen öffentlich machen, die auf der schwarzen Liste der EU stehen. Jüngst hat die EU die schwarze Liste solcher Steueroasen aktualisiert. Der Karibikstaat Dominica kam dazu, Barbados, Marokko, Namibia und St. Lucia wurden gestrichen. Hier sind weltweit Länder vermerkt, die entweder kein Steuerabkommen mit der EU haben oder ihren Verpflichtungen zu Steuerreformen nicht nachkamen. Australien, den Malediven und Jordanien wurde eine Verlängerung der Frist für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gewährt.
Nach einem endgültigen Beschluss und Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament hätten die Mitgliedsstaaten weitere 30 Monate Zeit für die Umsetzung. Sollte es zu einer Umsetzung kommen, dürfte die Sache noch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten werden – sei es von betroffenen Unternehmen oder gegnerischen Mitgliedsstaaten.
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