Von Martin Bernhard
Walldürn. Im Friseursalon Hess in Walldürn ist alles ruhig – noch. Sobald ab Montag, 1. März, die Friseure wieder öffnen dürfen, rechnet Christian Hess mit harten vier Wochen. "Das wird der Horror werden", sagt er. Derzeit telefoniert er mit zwei Mitarbeiterinnen seine Stammkunden ab, um Termine mit ihnen zu vereinbaren.
Fast elf Wochen wird die Schließungszeit für Friseure gedauert haben, wenn sie am 1. März wieder öffnen dürfen. Die Haare der Kunden sind seitdem erheblich gewachsen, mögliche finanzielle Rücklagen der Friseure dahingeschmolzen. "Viele Friseure haben noch keine Überbrückungshilfe bekommen", sagt Hess. Anders als Gastronomen, denen 75 Prozent ihres Umsatzes als November- und Dezemberhilfe zugesagt wurden, sollen laut Hess Friseure nur 90 Prozent ihrer Fixkosten erstattet bekommen. "Die Branche rechnet mit 15 bis 20 Prozent an Insolvenzen", stellt der Walldürner Friseurmeister fest.
Die praktische Ausbildung seiner Lehrlinge konnte Christian Hess auch während des Lockdowns fortsetzen. Die Nachwuchskräfte arbeiteten in dieser Zeit an künstlichen Probeköpfen. Da Weiterbildung für den Friseurmeister und sein Personal einen hohen Stellenwert besitzt, nutzten sie die Zeit der Zwangsschließung zu Online-Fachseminaren. "Wir waren nicht im Winterschlaf", betont Hess.
Er schaut trotz widriger Umstände zuversichtlich in die Zukunft. Hess freut sich mit seinem Team darauf, bald wieder arbeiten zu dürfen und seine Kunden zu sehen. Dass diese den Friseurbesuch kaum erwarten können, zeigte sich bereits an jenem Tag, als die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten die Öffnung von Friseursalons beschloss. "Kunden haben an diesem Abend ab 22 Uhr angerufen", berichtet Hess. Am nächsten Tag befanden sich 200 Anrufe auf dem Anrufbeantworter. Hess hat sein Online-Terminbuchungssystem aktiviert. Er ruft die Kunden anhand einer Warteliste an, die er aufstellte, als er Kundentermine wegen der Schließung ab 16. Dezember absagen musste.
Nach den geltenden Hygienevorschriften darf Hess pro zehn Quadratmeter Fläche einen Kunden in seinem Salon bedienen. "Wir haben zum Glück einen recht großen Salon", sagt er. So dürfen sich bis zu sieben Kunden gleichzeitig in dem Raum aufhalten. "Das Tragen von FFP2-Masken bleibt uns zum Glück erspart", stellt er fest. Denn nach den geltenden Vorschriften dürfe man diese nur 75 Minuten ohne Unterbrechung tragen. Dann muss man sie für mindestens 30 Minuten absetzen. "Das hätte eine Preiserhöhung von 20 bis 30 Prozent bedeutet." Stattdessen trägt sein Personal ebenso wie die Kunden medizinische OP-Masken.
Mehrere Kunden parallel zu bedienen, ist erlaubt, wenn man die Hygieneregeln beachtet und zum Beispiel Arbeitsutensilien kundenbezogen einsetzt sowie gemeinsam genutzte Arbeitsmittel regelmäßig reinigt. Außerdem soll man regelmäßig lüften oder Lüftungsanlagen einsetzen. "Ich gehe davon aus, dass man problemlos einen gut geführten Friseursalon besuchen kann", sagt er. Im vergangenen Jahr hätten Friseursalons wegen des gelungenen Hygienekonzepts nicht wesentlich zu Infektionen beigetragen. Hess machte 2020 positive Erfahrungen im Umgang mit den Hygienevorschriften: "Es war fantastisch, wie gut die Kunden und die Mitarbeiter das mitmachten."
Der Friseursalon Hess besteht in Walldürn seit 115 Jahren. Christian Hess führt ihn in vierter Generation. Er beschäftigt derzeit sechs Mitarbeiter in Walldürn und fünf in einer Niederlassung in Miltenberg. Sein Walldürner Salon verfügt über eine Gesamtfläche von rund 130 Quadratmetern, davon 105 Quadratmeter im Kundenbereich. Hess ist Präsident des Verbands der Künste und Techniken der Friseure Deutschlands.
Er weiß, dass manche Friseure wegen des zu erwartenden starken Andrangs ab 1. März ihre Öffnungszeiten ausweiten werden. Manche wollen erste Termine sogar für den 1. März um 0 Uhr vergeben oder im Schichtbetrieb arbeiten. Hess bleibt dagegen weitgehend bei seinen üblichen Öffnungszeiten. Lediglich den Ruhetag am Montag wird er streichen. "Wir werden nach dem Feierabend k.o. sein", stellt sich der Friseurmeister auf eine harte Zeit ein. "Ich hoffe darauf, dass unsere Kunden Verständnis für die Mitarbeiter haben."