Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Die Regierungskoalition in Baden-Württemberg will Mitglieder der rechten Szene davon abhalten, Anlauf auf die Justiz zu nehmen. 2023 steht die nächste Auswahl von Laienrichtern an. Schon vor der vergangenen Runde 2018 hatte es auf AfD-Kanälen geheißen: "Liebe Leute, werdet Schöffen und sorgt für Gerechtigkeit in Strafprozessen!". Grün-Schwarz will nun "Verfassungstreue" als Voraussetzung für ehrenamtliche Laienrichter gesetzlich festschreiben – um bundesweit Extremisten aus Schöffenämtern fernzuhalten.
Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) hat seine Amtskollegin im Bund, Christine Lambrecht (SPD), gebeten, eine Änderung des Deutschen Richtergesetzes zu prüfen, um darin "die Pflicht zur Verfassungstreue gesetzlich zu normieren", so Wolf Ende Januar in einem Brief an Lambrecht, der dieser Zeitung vorliegt. Eine solche Pflicht sei allseits anerkannt, es gebe aber keine maßgebliche bundesgesetzliche Regelungen hierzu.
Hintergrund war eine Initiative der grünen Landtagsfraktion im Herbst 2020 bei der Reform des hiesigen Richter- und Staatsanwältegesetzes. Ziel sei es, Bewerber auf ehrenamtliche Richterposten einer Eignungsprüfung zu unterziehen, sagt der Grünen-Abgeordnete Jürgen Filius. Er verweist auf einen Fall aus dem Jahr 2008, als ein Mitglied der Naziband ‚Noie Werte‘ als Schöffe am Stuttgarter Arbeitsgericht ausgeschlossen wurde. "Damals hatte die NPD ihre Sympathisanten aufgerufen, als Schöffe tätig zu werden", so Filius. "Heute fordert die AfD dazu auf, sich auf diese Weise unbemerkt in den Rechtsstaat einzuschleusen."
Die CDU stimmt zu: "Wir unterstützen diesen Vorstoß aus voller Überzeugung: Verfassungsfeinde, ob aus dem linken oder rechten Lager, sollten nicht im Namen des Volkes Recht sprechen", so der Abgeordnete Arnulf von Eyb. Grün-Schwarz kam aber überein, dass eine bundesweite Regelung sinnvoller sei.
Lambrecht zeigt sich aufgeschlossen. Zwar hatte schon das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass auch ehrenamtliche Richter eine besondere Pflicht zu Verfassungstreue gebe. Eine explizite gesetzliche Verantwortung würde diese jedoch "besser sichtbar machen", antwortete sie vergangene Woche an Wolf. Sie kündigte an, neben den Ländern auch Berufsverbände einzubeziehen.
Das Thema werde kontrovers diskutiert, sagt Frank Bleckmann, Sprecher der "Neuen Richtervereinigung" im Land. "Ich sehe aber durchaus Kollegen, die dem vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen aufgeschlossen gegenüberstehen", sagt Bleckmann. Wesentlich sei dann die Frage der Umsetzung. Eine generelle Regelanfrage beim Verfassungsschutz lehnt er ab. "Es wäre schon vom Ansatz her verfehlt, alle Schöffenkandidaten einem Anfangsverdacht auszusetzen und einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz zu unterziehen."