Bisher sind die Impfstoff-Hersteller davon ausgegangen, dass neue mutierte Variante des Coronavirus aus Großbritannien, die mittlerweile auch in Deutschland nachgewiesen wurde, keinen Einfluss auf die anlaufenden Massenimpfungen habe. Die Pharmaunternehmen Pfizer, BioNTech und Moderna gehen bisher davon aus, dass ihre Impfstoffe wahrscheinlich auch helfen, die neue Variante des Virus zu bekämpfen.
Der in Sachen Coronavirus omnipräsente SPD-Politiker Karl Lauterbach geht nun jedoch davon aus, dass sich das der neue Virenstamm, der angeblich ansteckender sein soll als die bisherige Variante von SARS-CoV-2, auch auf die Herdenimmunität durch Impfungen auswirken werde. Bisher gingen Experten und Politiker der Bundesregierung davon aus, dass man 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevölkerung impfen müsse, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Im Interview mit WDR Aktuelle Stunde erklärte Lauterbach, dass dies seiner Meinung nach nicht ausreicht:
"Amerikanische Wissenschaftler wie Marc Lipsitch gehen davon aus, dass die Herdenimmunität erst bei 80, 85 mindestens erreicht wird."
Lauterbach zufolge breiten sich die Mutationen von SARS-CoV-2 zunehmend aus, und man müsse sie auch in Deutschland erwarten, da sie angeblich ansteckender sein sollen als die, die man bisher gehabt habe. Je höher die Ansteckungsgefahr sei, desto höher ist nach Aussage Lauterbachs der Prozentsatz derer, die geimpft werden müssen, bis eine Herdenimmunität erreicht wird.
In einer Reihe von Tweets legte Lauterbach später noch einmal nach und erklärte, dass der neue Virenstamm bis zu 50 Prozent ansteckender sein soll. Dazu komme die Gefahr, dass das Virus weiter mutieren könne. Dann wäre ein "Wettlauf zwischen Lockdown-Maßnahmen und Mutationen" die Folge. Deshalb bliebe als einzige Option "schnellstmögliche Impfungen gegen die Zeit". Da in Deutschland dazu ausreichend Impfstoff für die nächsten 4 Monate fehle, bleibe nur die Strategie, den "Lockdown radikal fortzusetzen, bis eine Inzidenz von unter 25 es möglich macht, neue Mutationen sofort auszulöschen".
Bereits zuvor hatte Lauterbach sich mehrfach sich gegen Lockerungen ausgesprochen und auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann, die sich für die Wiedereröffnung von zumindest Grundschulen und Kitas ab dem 11. Januar unabhängig von der Inzidenzzahl einsetzte, stark kritisiert. Gerade für kleine Kinder im Grundschulalter sei digitaler Unterricht im Grunde nicht möglich, so Eisenmann.
Die Ministerin betonte auch wiederholt die Betreuungsprobleme für Eltern durch die Schulschließungen und Probleme für bildungsschwache Schüler, die durch den Fernunterricht noch mehr abgehängt werden. Eisenmann erklärte gegenüber der Südwest Presse:
"Manchmal ist es auch hilfreich, nicht nur auf Virologen zu hören, sondern auch auf Kinderpsychologen und Kinderärzte, die eine ganz klare Haltung haben zu Schulschließungen."
Auf Twitter kritisierte Lauterbach unter anderem, dass dadurch allenfalls in den Jahrgängen 8, 9 und 11 geteilter Unterricht stattfinden werde. Dadurch werde Baden-Württemberg der Lockdown "wenig bringen".
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